8567. Pflichten und Rechtsbeschränkungen der Beamten. 125
Der Gehorsam, welchen der Beamte seinen Vorgesetzten schuldet, ist jedoch überall
kein blinder, sondern ein solcher, wie er der Natur eines organischen, d. h. bewußt mit-
arbeitenden Gliedes entspricht. Da jeder Staatsbeamte, auch der geringste, Beamter des
Staates, nicht Diener seines Vorgesetzten, auch nicht des obersten ist, so muß die Pflicht
des Gehorsams stets nur im Einklang mit dem Willen des Staates, d. i. mit dem Ge-
setze erfüllt werden. Daraus folgt, daß in der Regel kein Beamter verpflichtet ist, einer
Weisung eines Vorgesetzten Folge zu leisten, die nicht einmal äußerlich als Wille des
Staates sich kundgibt, d. h. welche von einem Vorgesetzten außerhalb seines Zuständigkeits-
kreises erlassen ist oder zwar innerhalb seines Zuständigkeitskreises, aber ohne Einhaltung
derjenigen Förmlichkeiten, welche durch die Staatsverfassung oder die auf Grund der-
selben erlassenen Gesetze vorgeschrieben sind. In solchen Fällen ist der Beamte zu gehorchen
nicht einmal berechtigt ). Gegenüber von solchen Anordnungen der Vorgesetzten, welche
die äußeren Merkmale eines giltig zu Stande gekommenen Staatswillens an sich tragen,
ist die Stellung der Beamten eine verschiedene, je nachdem sie ein Amtt richterlichen Cha-
rakters bekleiden oder nicht. Gemäß ihrer Aufgabe dürfen die ersteren nicht nur, son-
dern müssen sogar jede Anordnung eines Vorgesetzten, ehe sie sie anwenden, dahin prüfen,
ob sie nach allen Richtungen hin den wahren Willen des Staates darstellt, ob also nicht
die anordnende Behörde in die Zuständigkeit eines höheren Faktors der Bildung des Staats-
willens eingegriffen oder sich nicht durch den Inhalt der Anordnung mit dem Staatswillen
in Widerspruch gesetzt hat. In der gleichen Lage befinden sich auch die Beamten der
Verwaltungsbehörden in denjenigen Fällen, in welchen sie nicht sowohl eine Handlung der
Verwaltung vornehmen als nach Maßgabe der bestehenden Gesetzgebung Recht zu sprechen,
d. h. in welchen sie richterliche Funktion zu versehen haben. In allen anderen Fällen da-
gegen sind die Beamten der Verwaltung verbunden, allen Anordnungen der ihnen vor-
gesetzten Behörde, welche sich äußerlich als in giltiger Form zu Stande gekommen darstellen,
Folge zu leisten, wobei die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit der Anordnung der
anordnenden Behörde, dem vollziehenden Beamten nur jene für den Vollzug zufällt.
Die Pflicht des Gehorsams beschränkt sich auf die dienstliche Thätigkeit des Beamten.
Außerhalb derselben ist der Dienstvorgesetzte ihm nicht zu befehlen berechtigt, der Beamte
demselben nicht zu gehorchen verpflichtet. Doch darf diese außerdienstliche Freiheit nie in
einer solchen Weise mißbraucht werden, daß dadurch das innerhalb des Dienstes bestehende
Unterordnungsverhältniß geschädigt würde.
3. Das Beamtenverhältniß ist ein auf die Dauer als Lebensberuf eingegangenes.
Daraus folgt:
a) Die Verpflichtung des Beamten, dem Staate Dienste zu leisten, beschränkt sich
— regelmäßig — nicht auf die Besorgung der Geschäfte des einen Amtes, mit dessen
Uebertragung das Verhältniß begonnen hat, sondern geht darauf, daß der Beamte ver-
pflichtet ist, innerhalb einer gewissen, ihm einmal verliehenen Rangstellung und mit Vor-
behalt seiner einmal erworbenen ständigen Bezüge, alle diejenigen Dienste zu leisten, welche
die Staatsgewalt von ihm verlangt und welche er nach der Art seiner Vorbildung zu
leisten fähig ist. Er ist deshalb — mit den obigen Vorbehalten — verpflichtet, jeder
Versetzung auf eine andere Dienststellung sich zu fügen. Und zwar können nicht etat-
mäßig angestellte Beamte und ebenso etatmäßig aber noch widerruflich angestellte Beamte
unbedingt versetzt werden.
** Entfernung vom Amte, ferner über die Folgen der unerlaubten Entfernung vom Amte s.
af. 9§ 27—32.
Z 1) Hierher würden z. B. gehören: Entschließungen des Staatsoberhauptes in Staatsangelegen-
heiten, welche der Gegenzeichnung eines Ministers entbehren, Verfügungen einer Verwaltungsbehörde
in richterlichen Angelegenheiten.