144 Dritter Abschnitt: Die Kommunalverbände, öffentl. Korporationen u. Stiftungen. 8§ 62.
und Vertretungen auf der Grundlage der Einwohnergemeinde vorzunehmen. Dies ist durch das
Gesetz vom 24. Juni 1874, besondere Bestimmungen über Verfassung und Verwaltung der
Stadtgemeinden betreffend:), geschehen. Im Anschlusse an dasselbe wurden besondere Bestim-
mungen über die Aufbringung des Gemeindeaufwandes in diesen Städten gegeben, welche durch
ein Gesetz vom 6. Febr. 1879) ersetzt worden sind. Nachdem im Jahre 1882 eine Aenderung
bezüglich der Zahl der Stadtverordneten und der Klasseneintheilung für deren Wahl vorgenom-
men worden war, nahm das Gesetz vom 16. Juni 1884, die Städteordnung betr.), eingreifendere
Aenderungen zur Erweiterung der Selbstverwaltung vor. Aus der Gemeindeordnung, dem Ge-
setze vom 24. Juni 1874, jenem vom 6. Febr. 1879 und dem oben erwähnten Gesetz von 1884
zusammen bildet sich jetzt die sog. Städteordnung. Sie erlitt bezüglich der Aufbringung des Ge-
meindeaufwandes weitere Aenderungen durch die Gesetze vom 1. Mai 1886, 23. Juni 1892 und
4. Aug. 18947.
Gleichzeitig mit der Neuregelung der Aufbringung des Gemeindeaufwandes in den
Städten und im Wesentlichen auf den nämlichen Grundlagen ist für die übrigen Gemeinden
ebenfalls eine solche neue Regelung erfolgt, welche auch bei ihnen durch die in der staatlichen
Steuergesetzgebung vorgenommenen Aenderungen, sowie durch das Bedürfniß nach Erweiterung
des Kreises der Gemeindesteuerpflichtigen geboten war. Sie ist enthalten in dem Gesetze vom
24. Febr. 1879, die Aufbringung des Gemeindeaufwandes betr.), das wieder durch Gesetze vom
2. Mai 1886°5) und jene von 1892 und 1894 Aenderungen erlitt.
Eine tiefeingreifende Aenderung in der Gesetzgebung für die nicht der Städteordnung
unterstehenden Gemeinden brachte das Gesetz vom 22. Juni 18907). Durch dasselbe sind in allen
Gemeinden von 500 und mehr Einwohnern auch diejenigen Einwohner, welche daselbst das
aktive Ortsbürgerrecht nicht besitzen, sofern sie gewisse Voraussetzungen, ähnlich jenen zur Er-
langung des Stadtbürgerrechtes in den Städten der Städteordnung, erfüllen, hinsichtlich des
Rechts und der Verpflichtung zur Theilnahme an der Gemeindeverwaltung den Ortsbürgern
gleich gestellt worden. Als Gegengewicht gegen den dadurch zugelassenen Einfluß der zahlreichen
beweglichen Masse der weniger seßhaften Bevölkerung wurde, unter theilweiser Aenderung der
Gesetzgebung von 1870, wieder die mittelbare Wahl der Bürgermeister und des Gemeinderaths
eingeführt und die Amtsdauer der Ersteren verlängert. In den kleineren Gemeinden ist der
Bürgerausschuß ganz beseitigt, die Amtsdauer der Bürgermeister ebenfalls verlängert worden.
II. Der gegenwärtige Stand des badischen Gemeinderechtes, in großen
Zügen dargestellt, ist folgender:
Wie aus der vorstehenden Darstellung des Entwicklungsganges ersichtlich, scheiden
sich die badischen Gemeinden zunächst in zwei große Gruppen: die Gemeinden, welche der
allgemeinen Gemeindeordnung und dem Bürgerrechtsgesetz, und diejenigen, welche der Städte-
ordnung unterstehen. Innerhalb der ersteren Gruppe ist wieder zu scheiden zwischen den
Gemeinden mit 500 und mehr Einwohnern, auf welche das Gesetz vom 22. Juni 1890
Anwendung findet, und die hierdurch in ihrer Verfassung sich manchfach den Städten der
St.O. nähern, (den mittleren Gemeinden) und den kleineren Gemeinden, in denen der
Grundzug der Bürgergemeinde noch voll zum Ausdruck gelangt.
Der Städteordnung sind Kraft Gesetzes unterstellt die Städte Karlsruhe, Mannheim,
Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, Baden und Konstanz, durch freien Entschluß die Städte
Bruchsal und Lahr.
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Verfassung und Verwaltung dieser Gruppen
von Gemeinden haben jedoch viel mehr des Gemeinsamen, als des Verschiedenen. Sie
werden daher in der nachstehenden übersichtlichen Darstellung, jeweils unter Hervorhebung
des der einen oder anderen Gruppe Eigenthümlichen, zusammengefaßt werden.
1) G. u. V. Bl. Nr. XXVII, S. 337.
2) G. u. V.Bl. Nr. VII. S. 63.
3) G. u. V. Bl. Nr. XXIV, S. 233.
4) G. u. V. Bl. 1886, Nr. XXII, S. 193; 1892, Nr. XX, S. 373; 1894, Nr. XXXVII, S. 359.
5) G. u. V. Bl. Nr. VIII, S. 71.
6) G. u. V. Bl. Nr. XXIII, S. 199.
7) G. u. V. Bl. Nr. XXV, S. 331.