Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 62. Die Gemeinden. 145 
A. Verfassung der Gemeinden ?. 
Die Gemeindegesetzgebung von 1831 hat die Gemeinden nicht erst gebildet; sie hat sich 
einfach auf den Boden der Thatsachen gestellt, wie sie damals vorlagen. 
Diejenigen, äußerlich eine Ortschaft oder mehrere Ortschaften umfassenden, auf die selb- 
ständige und selbstthätige Erfüllung der staatlichen und staatlich-ähnlichen Zwecke im örtlichen 
Kreise gerichteten korporativen Vereinigungen von Staatsbürgern, welche am 1. Januar 
1832 als Gemeinden anerkannt waren, wurden in ihrem Bestande erhalten und gesetzlich 
durch die Bestimmung geschützt, daß keine Gemeinde anders als im Wege der Gesetzgebung 
ausgelöst werden könne. Ebenso ist die Bildung einer neuen Gemeinde nur auf dem gleichen 
Wege möglich?. 
Die nothwendige räumliche Unterlage jeder Gemeinde ist ihre Gemarkung. Sie 
ist einerseits der Bezirk, innerhalb dessen die Organe der Gemeinde die ihnen übertragenen 
staatlichen Funktionen zu vollziehen haben, anderseits das Gebiet, innerhalb dessen die Ge- 
meinde die aus ihrem eigenen Leben und Wesen sich ergebenden Aufgaben zu erfüllen und 
die zu diesem Behufe nothwendigen Rechte auszuüben hat. 
Bezüglich der innerhalb der Gemarkung der Gemeinden vorhandenen oder sonst zu 
der letzteren gehörigen Personen sind die Verhältnisse in den verschiedenen Gruppen von 
Gemeinden verschieden geordnet: 
1. Bei den der allgemeinen Gemeindeordnung unterstehenden Gemeinden ist zu unter- 
scheiden zwischen denjenigen Personen, welche mit der Gemeinde im Verbande dauernder 
persönlicher Angehörigkeit stehen, und jenen, welche derselben nur durch die Thatsache des 
Wohnens in derselben und auf deren Dauer angehören. Die Rechtsverhältnisse der letzteren 
Personen sind wieder verschieden, je nachdem die Gemeinde zu den mittleren (mit 500 
oder mehr Einwohnern) oder zu den kleineren gehört. 
Der dauernde persönliche Angehörigkeitsverband ist der des Bürgerrechts, ganz aus- 
nahmsweise noch der des Einsassenrechts. 
Bürger einer Gemeinde sind diejenigen Männer, welche durch eine von ihrem 
freien Willen ausgegangene Handlung und die derselben entsprechende zustimmende Er- 
klärung der Gemeindeverwaltungsbehörde in den engeren Gemeindeverband eingetreten sind. 
Dieser Eintritt und die denselben bewirkenden Willenshandlungen geschehen entweder in 
der Form des Antrittes des angeborenen Bürgerrechtes oder in derjenigen der Bürger- 
aufnahme. In der ersteren Form geschieht die Erwerbung des Bürgerrechtes Seitens Des- 
jenigen, der mit der betreffenden Gemeinde bereits durch seine Abstammung im bürger- 
rechtlichen Verbande steht. Den ehelichen Kindern eines Gemeindebürgers nämlich kommt 
in der Gemeinde des Bürgerrechtes ihres Vaters, ebenso unehelichen Kindern in der Ge- 
meinde des angeborenen Bürgerrechtes ihrer Mutter angeborenes Bürgerrecht zus). Das- 
selbe ist ausnahmsweise noch bei den vor dem 1. Juli 1870 geborenen Kindern von 
Staatsdienern an dem Anstellungsorte ihres Vaters der Fall“). 
Die Zulassung zum Antritt des angeborenen Bürgerrechtes kann Derzjenige, 
welcher letzteres besitzt, als ein nöthigenfalls auf dem Wege verwaltungsgerichtlicher Klage 
erzwingbares Recht verlangen, wenn er 25 Jahre alt, im Besitze eines den Unterhalt 
einer Familie sichernden Vermögens oder Nahrungszweiges, auch in gewissem Grade un- 
bescholten ist?). 
1) Ueber das Wesen der Gemeinde, ihre Stellung im Staate, über Verfassung und Verwaltung, 
“ der Gemeinden und Staatsaufsicht s. in meinem angef. Handb. Zus. 1 zu G.O. f. d. 
mitt. G. 8§ 1. 
2) Gemeinde-Ordnung § 4. 3) Bürgerrecht-Ges. §8 6—9. 
4) Das. 85 59—63. 5) A. a. O. §§ 10—17. 
Handbuch des Oesfentlichen Rechts III. 2. Aufl. Baden. 10
	        
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