869. Gesetz. 165
e) muß gemäß V. U. 8 54 und nach dem Grundsatze, daß, sofern nicht eine Ver-
fassungsänderung inzwischen eingetreten sein sollte, zur Aufhebung oder Aenderung eines Ge-
setzes zum Mindesten die nämlichen Organe des Staates zuzustimmen berufen sind, welche
zur Entstehung desselben mitgewirkt haben — angenommen werden, daß was einmal in
der Form des Gesetzes, d. h. nach ausdrücklich eingeholter Zustimmung der Landstände
geregelt worden ist, auch künftig nicht mehr auf anderem Wege geregelt werden kann,
welches auch der Inhalt sein mag.
Außerdem können (gewöhnliche) Gesetze bestimmen, daß gewisse Anordnungen nur
im Wege des Gesetzes erlassen werden dürfen.
Uebrigens pflegen in Baden auch solche Aeußerungen des Staatswillens in die Form
von Gesetzen eingekleidet zu werden, die nur Gebote an die Organe des Staates selbst zu
Handlungen, welche an die Zustimmung der Stände gebunden find, enthalten 0.
Auch sie gelten rechtlich Gesetzen gleich, wie sie denn auch der Sprachgebrauch des
badischen Staatsrechtes von den Gesetzen im eigentlichen Sinne nicht unterscheidet. Zum
Begriff von Gesetz im Sinne des positiven badischen Staatsrechtes gehört hiernach für die
Zeit seit Einführung der Verfassung die formale Voraussetzung, daß die betr. Verord-
nung oder Anordnung mit Zustimmung der Stände zu Stande gekommen ist.
Somit ist für die eben genannte Zeit Gesetz jede vom Staatsoberhaupt mit Zu-
stimmung der Landstände erlassene und zur Darnachachtung verkündete Verordnung oder
Anordnung.
Aus dem soeben sowie in den §§ 21, 22, 33 Erwähnten ergeben sich die Rechts-
grundsätze über die Entstehung der Gesetze. Sie lassen sich dahin zusammenfassen
A. in der Zeit vor der Einführung der Verfassung wurden die Gesetze erlassen durch
das Staatsoberhaupt oder in dessen Spezialauftrag durch die oberste Staatsbehörde ohne
andere Mitwirkung.
B. Seit der Einführung der Verfassung werden die Gesetze erlassen durch den Groß-
herzog unter Verantwortlichkeit eines Mitgliedes des Staatsministeriums nach erfolgter
Zustimmung der beiden Kammern der Ständeversammlung. Es wird also erfordert:
1. daß zwischen dem Großherzog unter der eben erwähnten Verantwortlichkeit und
den Landständen Uebereinstimmung über den Inhalt eines zu erlassenden Gesetzes vorhanden
und in gesetzlicher Form festgestellt sei;
2. daß der Großherzog — unter der erwähnten Verantwortlichkeit — den so zu
Stande gekommenen Gesetzesvorschlag bestätigt und dessen Verkündung als Gesetz befohlen habe.
Daß der Großherzog in seiner Entschließung hierüber frei ist, ist schon in § 33
ausgeführt worden. «
Selbst wenn der Entwurf genau mit dem Inhalt und in der Form von den Land-
ständen angenommen worden sein sollte, wie ihn die großherzogliche Regierung selbst vor-
geschlagen hat, besteht für den Großherzog keine rechtliche Nöthigung zur Bestätigung. Es
besteht auch keine Gesetzesbestimmung, welche vorschriebe, daß der Großherzog seine Ent-
schließung über Bestätigung eines Gesetzes binnen einer gewissen Frist zu treffen habe.
Doch wird nach der Natur der Sache anzunehmen sein, daß mit der Eröffnung eines neuen
Landtages die bis dahin noch nicht bestätigten, vom vorigen Landtag herrührenden Ge-
setzentwürfe hinfällig werden.
C. Erforderlich ist ferner, daß die Verkündung des Gesetzes, jetzt als eines vom
1) Z. B. die Gesetze über den Staatshaushaltsetat, auch soweit fie nicht gleichzeitig die Abgabe-
sätze feststellen. In den Gesetzen über die Bildung von Gemeinden, die als blos einmalige Hand-
lungen erscheinen könnten, ist auch bei kürzester Fassung in Wirklichkeit ein Komplex von Satzungen
über die Rechtsverhältnisse der betreffenden Staatsangehörigen enthalten.