166 Vierter Abschnitt: Allgemeine Funktionen der Staatsgewalt. I. Kapitel. 870.
Großherzog mit Zustimmung der Landstände erlassenen, in der hierfür vorgeschriebenen
Weise auch thatsächlich erfolgt sei. Erst nachdem dies geschehen, ist das Gesetz wirklich
ein solches, eine rechtsverbindliche Norm. ·
Die Form der Bestätigung ist die, daß eine Entschließung des Großherzogs im Staats-
ministerium gefaßt wird, des Inhaltes: Se. K. Hoheit geruhe den Entwurf des Gesetzes zu be-
stätigen, und befehle die Verkündung desselben als Gesetz. Eine vom Großherzog unterzeichnete,
von einem oder mehreren Mitgliedern des Staatsministeriums gegengezeichnete und mit dem
Staatssiegel versehene Fertigung des Gesetzes wird in dem Generallandesarchiv hinterlegt.
Die Verkündung geschieht seit 1803 durch ein hierzu besonders bestimmtes amtliches
Blatt, früher das Regierungsblatt, seit 1869 das Gesetzes= und Verordnungsblatt , unter
der Redaktion des Sekretariates des großherzoglichen Staatsministeriums stehend.
§ 70. II. Verordnung. Die oben erwähnten Kategorien von Gesetzen erschöpfen das
Gebiet der Gesetzgebung im sachlichen Sinne zwar nahezu, aber doch nicht vollständig. Auf
dem freigelassenen Gebietsreste, wohin namentlich ein großer Theil der organisatorischen
und fürsorgenden Thätigkeit der Staatsgewalt gehört, steht die Erlassung von Rechtsnormen,
welche die Unterthanen ebenso binden wie die Behörden, unbeschränkt dem Großherzog zu.
Die von ihm oder mit seiner Ermächtigung erlassenen Verordnungen find Gesetze im sach-
lichen, wenn auch nicht im formellen Sinne. Ihre verbindliche Kraft gründet sich nicht
auf ein Einzelgesetz, sondern unmittelbar auf die Verfassung, soweit sie das Staatsober=
haupt in der Erlassung von Rechtsnormen nicht beschränkt hat. Sie erscheinen aber nicht
im Gewande des Gesetzes, sondern in dem der Verordnung.
Der Vollzug solcher Rechtsverordnungen, soweit er die Aufwendung staatlicher Geld-
mittel erfordert, findet allerdings seine Schranke in den Bestimmungen des Etatgesetzes
und der Gehaltsordnung. Insbesondere können nach Art. 38 des Etatgesetzes „Organi-
sationen, welche Einfluß auf die Erhöhung des Ausgabeetats haben, nicht in Vollzug gesetzt
worden, bevor sie von den Ständen gutgeheißen sind, auch wenn die Erhöhung der Aus-
gaben erst in einer künftigen Budgetperiode hervortreten sollte"“.
Diesen Rechtsverordnungen, in deren Erlassung das Staatsoberhaupt selbständig ist,
schließen sich diejenigen an, in welchen zwar ebenfalls eine Rechtsnorm erlassen wird, aber
auf Grund besonderer, in einem Einzelgesetze enthaltener Ermächtigung. In besonders aus-
gedehntem Maße ist eine solche Ermächtigung in dem Uebertretungsabschnitt des Reichs-
strafgesetzbuchs und in dem Polizeistrafgesetzbuch vom 31. Okt. 1863 enthaltlen, insofern
dort die Uebertretung nicht im Gesetze selbst enthaltener, sondern durch Verordnung zu
erlassender Bestimmungen unter Strafe gestellt wird.
Von den Nothverordnungen, die im Gewande des Gesetzes erscheinen, den sogenannten
provisorischen Gesetzen, wird unten die Rede sein.
Verschieden von den bis jetzt besprochenen Rechtsverordnungen sind diejenigen, welche,
ohne selbständige Rechtssätze aufzustellen, das Verfahren der Behörden und der kommu-
nalen Organe bei der Ausführung der Gesetze sowie überhaupt beim Vollzuge der Ver-
waltungsaufgaben regeln und nähere Vorschriften über die Verwirklichung der durch Gesetze
oder Rechtsverordnungen den Einzelnen und den Gemeinschaften auferlegten Beschränkungen
und Verpflichtungen geben — die Vollzugs= und Ausführungsverordnungen. Das
Recht und die Pflicht zu ihrer Erlassung gründet sich auf die dem Staatsoberhaupt zu-
stehende vollziehende Gewalt ).
1) Abschn. IX d. X. Org. Ed. v. 20. April 1803; Verord. v. 27. Okt. 1807, Reg. Bl. Nr. 37,
S. 221, u. v. 14. Mai 1810, Reg.Bl. Nr. XXI, S. 157, ldh. Verord. v. 21. Nov. 1868, Reg. Bl.
Nr. LIXVI, S. 957. Pol. Str. G. B. § 27.
2) Der § 66 d. V. U. bestimmt hierüber: „Der Großherzog (bestätigt und promulgirt die Ge-