Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

174 Vierter Abschnitt: Allgemeine Funktionen der Staatsgewalt. I. Kapitel. 874. 
schon vor der Erlassung derselben abgeschlossene Rechtsverhältnisse ist daher nur folgerichtig 
und enthält keine Rückwirkung im eigentlichen Sinn. Für die badische Landesgesetzgebung 
ist übrigens dieser Grundsatz durch L. R. S. 2c eingeschränkt ). 
2. Oertliche Wirksamkeit?). Innerhalb seines Staatsgebietes herrscht der ein- 
zelne Staat — wenigstens dem Grundsatze nach — ausschließlich. Er herrscht aber auch 
umgekehrt, da der gleiche Grundsatz auch für andere Staaten gilt, nur innerhalb desselben. 
Hieraus folgt: 
1. Alle Rechtsbeziehungen zwischem dem Staate einerseits und den ihm angehörigen 
oder sonst in ihm vorhandenen Persönlichkeiten anderseits richten sich nach der inländi- 
schen Gesetzgebung. Der nämliche Grundsatz gilt von den Beziehungen inländischer öffent- 
licher Korporationen zu ihren Angehörigen. 
2. Alle inländischen Behörden dürfen nur inländische Geschäftsformen zur Anwendung 
bringen. 
3. Auch Privatpersonen können für alle diejenigen innerhalb des Inlandes von 
ihnen vorgenommenen Rechtsgeschäfte, für welche eine bestimmte Form vorgeschrieben ist, nur 
die inländische Form anwenden. 
4. Alle Rechtsverhältnisse, welche innerhalb des inländischen Staatsgebietes entstehen, 
können innerhalb des badischen Staatsgebietes nur nach dem inländischen Rechte beurtheilt 
werden. 
5. Rechtsverhältnisse, welche außerhalb des badischen Staatsgebietes entstanden sind, 
können Rechtswirkung im Inlande nach Maßgabe derjenigen Gesetzgebung, unter deren Herr- 
schaft sie entstanden sind, nur insoweit beanspruchen, als sie im Auslande bereits zu recht- 
lich abgeschlossenen geworden sind. 
Hieraus folgt insbesondere bezüglich der Ausländer, daß sie in ihren öffentlich-recht- 
lichen Beziehungen zum badischen Staat aber auch nur in soweit den inländischen Gesetzen 
unterliegen, als sie mit ihrer Person oder ihrem Eigenthum im Inlande sich befinden. Dies 
gilt insbesondere für die Anwendung der inländischen Steuer-, Straf= und Polizeigesetze?). 
Von diesen Grundsätzen finden jedoch eine Reihe von Abweichungen statt. 
Einmal auf dem Gebiete des Strafgesetzes). 
Sodann ist auf dem Gebiet des Privatrechtes nicht nur dann, wenn die Rechtsverhält- 
nisse im Auslande entstanden sind oder im Auslande wirken sollen, sondern auch dann, wenn 
überhaupt nur Ausländer betheiligt sind, der Anwendung ausländischen Rechtes im In- 
lande — auf Grund des sog. internationalen Privatrechts — ein erheblicher Raum gestattet?). 
§ 74. VI. Grenzen der Gesetzgebung. Gemäß der Natur und Aufgabe des Staates 
geht im Staate alles Recht im eigentlichen Sinne unmittelbar oder mittelbar von ihm aus. 
Und innerhalb des Staates gibt es keinen höheren Willen als den seinen. Er kann sich, 
was die positiven Verhältnisse betrifft, die Grenzen seines Willens nur selbst setzen. Formell 
ist hiernach die Gesetzgebung eines souveränen Staates unbeschränkt. Was sie bestimmt, ist 
Gesetz und bindet Alle, die überhaupt im Staate dem Gesetze unterworfen sind (vgl. v. § 7). 
Auf einzelnen Gebieten hat jedoch das Reich die Gesetzgeb ung mit Ausschluß der Landes- 
gesetzgebung sich selbst vorbehalten #); andere unterliegen wenigstens „der Beauffichtigung 
1) „Auslegungen des Gesetzgebers haben nicht mehr Rückwirkung als Gesetze selbst; sie können 
aber da, wo einem Richter das ältere Gesetz dunkel oder zweideutig ist, von ihm als Nichtschnur 
seiner Bestimmung, berücksichtigt werden, auch für Fälle, die vor der Verkündung der Auslegung 
sich zutrugen.“ L. R. S. 2 a 
2) Barazetti, §17 und die dort angef. Literatur; Behaghel I, § 17. Vgl. a. oben § 3. 
3) Vgl. R. tr.G.B. 8 3. 4) R.Str.G.B. 9 4—8. 
5) S. Barazetti und Behaghel a. a. O. 
6) So die Gesetzgebung über das Zollwesen, die Besteuerung von Salz und Tabak 2c. 2c.
	        
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