180 Vierter Abschnitt: Allgemeine Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 78.
wendigkeit der zur Ausführung des beabsichtigten Unternehmens geforderten Abtretung ab-
hängt, nimmt zu diesem Ende Augenscheine vor, hört die Betheiligten, vernimmt Auskunfts-
personen, prüft Abänderungsvorschläge und versucht, über die Abtretungen und Entschädi-
gungen oder wenigstens über das Eine oder Andere ein Uebereinkommen zu Stande zu
bringen. Sie besteht regelmäßig aus 1) dem Bezirksverwaltungsbeamten oder dessen Stell-
vertreter; 2) einem oder mehreren der mit dieser Prüfung oder mit der Ausführung des
Unternehmens beauftragten Ingenieure, Baumeister oder Werkmeister; 3) dem Bürgermeister
des Orts der gelegenen Sache oder dem Stellvertreter desselben?).
Ein besonderes kürzeres Verfahren ist vorgeschrieben bei der Zwangsabtretung zum
Zwecke größerer militärischer Anlagen oder Arbeiten, deren Ausführung mit allgemeiner
Bezeichnung des Orts und der Richtung durch eine öffentlich verkündete großherzogliche
Verordnung verfügt ist).
Ebenso tritt ein besonderes Verfahren dann ein, wenn ein bestimmter Umfang von
Grundstücken zu Bauplätzen bestimmt werden soll, so daß Jeder, welcher nach polizeilichen
Vorschriften darauf bauen will, zu dem Ende die Abtretung verlangen könne 3). Kommt
in der Prüfungstagfahrt oder deren etwaigen Fortsetzungen eine Vereinbarung über die
Abtretung an und für sich, wenn auch mit Vorbehalt der gerichtlich festzustellenden Ent-
schädigung, Zzu Stande, so ist hierüber ein genaues Protokoll aufzunehmen. Eine Ent-
schließung des Staatsministeriums über die Abtretungsverbindlichkeit ist alsdann nicht mehr
erforderlich. Vielmehr vertritt das Uebereinkommen vollständig und mit allen ihren recht-
lichen Wirkungen die Stelle einer solchen.
Kommt eine Vereinbarung über die Abtretung nicht zu Stande, so ertheilt die Kom-
mission ihr Gutachten, ob und welche Güter zum Zwecke des Unternehmens abgetreten wer-
den sollen, worauf die Akten dem Ministerium des Innern behufs der Vorlage an das
Staatsministerium eingesendet werden 0.
3. Die Entschließung des großherzoglichen Staatsministeriums. Sie stellt
die Verbindlichkeit zur Abtretung endgiltig fest, so daß im einzelnen Fall über die Frage,
ob ein öffentlicher Zweck die Abtretung wirklich fordere, und ob die die Verbindlichkeit
aussprechende Entschließung auf ein gesetzmäßiges Verfahren gebaut sei, eine Streitverhand-
lung vor Gericht oder eine gerichtliche Entscheidung unzulässig ist. Die Staatsministerial-
Entschließung oder das deren Stelle vertretende Uebereinkommen ist jeweils öffentlich be-
kannt zu machen 5).
III. Entschädigung und Feststellung derselben. Für die Bemessung der Ent-
schädigung sind vom Gesetze bestimmte Grundsätze aufgestellt. Darnach wird ein Durch-
schnittswerth zur Grundlage genommen, den die Liegenschaft im Falle einer Veräußerung
nach Maßgabe ihrer Größe, Beschaffenheit und Lage haben würde, wobei nebstdem noch die
besonderen Vortheile in Anschlag gebracht werden, welche die Sache dem Inhaber nach sei-
nen Gewerbs= und anderen Verhaältnissen gewährt. Besondere Bestimmungen sind getroffen
für den Fall, wenn eine Liegenschaft zu einem Unternehmen nur theilweise erforderlich ist.
Je nach Verschiedenheit der thatsächlichen Verhältnisse kann der Eigenthümer bald höhere
Entschädigung, bald Abnahme des Ganzen verlangen. Aehnliches ist dann der Fall, wenn
eine Berechtigung abgetreten werden soll?).
Damit nicht etwa in der Zwischenzeit zwischen der Kundgebung der Absicht der Ver-
waltungsbehörde, eine unbewegliche Sache im Wege der Enteignung zu erwerben, der Preis
1) Das. §§ 9—15. 2) Das. § 18.
3) Das. § 19; Art. 4 d. Ges. v. 20. Febr. 1868, die Anlage der Ortsstraßen rc. 2c. betr.
¾3 Zw. A. G. 88 16 -21. 5) Das. 88 22, 23.
6) Daf. 24—33.