Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

§ 86. Die Gewerbesteuer. 195 
der im Großherzogthum betriebenen gewerblichen Unternehmungen. Als solche gilt jede 
selbständig, d. i. auf eigene Rechnung betriebene gewerbliche Thätigkeit, auch — nach aus- 
drücklicher Bestimmung — der Geschäftsbetrieb der Erwerbs= und Wirthschafts-Genossen- 
schaften). 
Der Gewerbsteuer unterliegen nicht: 
1) Der Betrieb der Land= und Forstwirthschaft, einschließlich des Handels mit Pro- 
dukten von eigenen oder gepachteten Grundstücken, sowie mit den davon ernährten Thieren 
und deren Erzeugnissen. Ferner 2) die vom Staat im öffentlichen Interesse und für öffent- 
liche Zwecke betriebenen gewerblichen Unternehmungen; 3) die Reichsbank und ihre Zweig- 
anstalten; 4) Vorschuß= und Kreditvereine mit unter 50 000 M. Betriebskapital und land- 
wirthschaftliche Einkaufs-, Betriebs- und Verkaufsvereine?). 
Das Betriebskapital umfaßt die sämmtlichen dem betreffenden Gewerbsbetrieb 
gewidmeten Gegenstände mit Ausnahme jener, welche der Grund= und Häusersteuer unter- 
liegen oder außerhalb des Landes sich befinden und daselbst besteuert sind. 
Insbesondere sind hierher zu rechnen: 
1. die Wasserkräfte, welche für ein Gewerbe benützt werden; 
2. die ständigen, zur Führung eines Geschäftes an Maschinen, Geräthschaften und 
Werkzeugen vorhandenen Einrichtungen, jene jedoch ausgeschlossen, welche sich in 
Gebäuden befinden und als ihrer Natur nach unbeweglich beim Steueranschlag 
der Gebäude zu berücksichtigen sind; 
3. die Vorräthe zum Verkauf bestimmter Waaren, sowie zum Gewerbsbetrieb dienen- 
der Roh= und Hilfsstoffe aller Art, einschließlich der in Bearbeitung begriffenen 
Stoffe; 
. die zum Gewerbsbetrieb verwendeten Thiere und Futtervorräthe für dieselben; 
5. die zum Geschäftsbetrieb dienenden Vorräthe an baarem Geld, Gold und Silber 
in Barren, Papiergeld, Banknoten, Wechseln, verzinslichen und unverzinslichen 
Werthpapieren, ferner die vom Geschäftsbetrieb herrührenden Aktivausstände ein- 
schließlich der im Kontokorrent laufenden Guthaben; soweit die Summe aller 
dieser Werthe die Summe der aus dem laufenden Geschäftsbetrieb herrührenden 
Schulden übersteigt; 
6. die einzelnen Gewerbtreibenden zustehenden besonderen Gewerbsberechtigungen. 
Die nicht nach Ziff. 4 (o.) befreiten Vorschuß= und Kreditvereine werden nur mit 
der Hälfte ihres Betriebskapitals zur Gewerbsteuer herangezogen. 
Der Steueranschlag des Betriebskapitals besteht im mittleren Werthe der nach mittle- 
rem Jahresstande angenommenen Betriebskapitalien. 
1# 
6. Mai 1892, G.u. V. Bl. Nr. XI, S. 119, erlitten hat. S. G. u. V. Bl. 1886, Nr. XX, S. 169. Dazu 
Vollz. Verord. d. Fin. M. v. 26. April 1886, G. u. V. Bl. Nr. XX, S. 177, abg. 30. Juni 1892, G. u. V. Bl. 
Nr. XXI, S. 382. Die ältere Gewerbsteuer beruhte auf der Gewerbsteuerordnung v. 6. April 1815, 
sodann dem Gesetze v. 23. März 1854, Reg. Bl. Nr. XIV, S. 99. Nach dem letzteren unterlag der 
Gewerbsteuer, wer im Großherzogthum ein Gewerbe betrieb. Die Steuer ruhte sowohl auf dem perfön- 
lichen Verdienst des Gewerbetreibenden, als auf dem Ertrag des im Gewerbe angelegten Betriebskapitales. 
Ersterer war, unter Berücksichtigung der Größe der Betriebsorte, nach 12, letzterer nach 20 Klassen ver- 
anlagt. Das Gesetz vom 25. Aug. 1876 nahm, unter Aenderung der Bestimmungen über die Bildung 
der Steuerkapitalien, als der „Erwerbsteuer" unterliegend auch den nicht schon unter dem Ertrag der 
gewerblichen Unternehmungen begriffenen Ertrag der Arbeit, Dienstleistungen und sonstigen Berufs- 
thätigkeit auf. Die hierauf bezüglichen Bestimmungen sind jedoch durch das Einkommensteuergesetz v. 
20. Juni 1884 (s. u.) zunächst in ihrer Wirkung für die Staatssteuer, sodann vollständig durch d. Gefs. 
v. 26. April 1886 beseitigt worden. Die Gewerbsteuer ist hiernach eine, auf das Betriebskapital 
beschränkte Objektsteuer. 
1) Gew. St. Ges. Art. 1; Vollz. V.O. 8 1. 
2) Angef. Ges. Art. 2. 
13“
	        
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