8 102. Allgemeine Bemerkung. Die Sicherheitspolizei insbesondere. 223
und Mannschaften. Der Kommandeur untersteht in militärischer Hinsicht unmittelbar dem
Großherzog. Offiziere und Mannschaften gehören zum Soldatenstand und sind der Militär-
gerichtsbarkeit unterworfen. Sie sind nicht Beamte im Sinne des Beamtengesetzes. Nur
hinsichtlich des Diensteinkommens, der Zuruhesetzung, der Ruhe= und Unterstützungsgehalte
und der Hinterbliebenenversorgung sind die Bestimmungen des Beamtengesetzes entsprechend
anzuwenden.
Das Gendarmeriekorps ist hinsichtlich seiner Dienstleistungen ausschließlich dem Mi-
nisterium des Innern unterstellt, und von diesem gehen alle auf den Dienst bezüglichen
Befehle an den Kommandeur des Korps. Zu allen anderen Civilbehörden steht die Gendar-
merie in keinem Subordinationsverhältniß. Aber sie hat den Ersuchen und Aufforderungen
der Polizeibehörden und Gerichte in Handhabung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ord-
nung sofort Folge zu leisten. Sie ist Gehilfin der Staatsanwaltschaft.
Die Gendarmerie kann in ihrem Dienste Gewalt brauchen und sich ihrer Waffen be-
dienen: 1) zur Nothwehr, 2) zur Vertheidigung anvertrauter Personen oder Güter gegen
Gewalt, 3) zur Vollziehung ihrer Aufträge gegen gewaltsamen Widerstand — auf ausdrück-
liche Anweisung der Behörde oder des vorgesetzten Offiziers, 4) gegen entfliehende schwere
Verbrecher oder gefährliche Gefangene 7).
Ueber den Waffengebrauch im Falle von Zusammenrottungen s. u. § 109.
Zur Zeit ist das Gendarmeriekorps in vier Distrikte und in Bezirkskommandos ein-
getheilt, die ihren Sitz an jenem der Bezirksämter und Amtsgerichte haben.
§ 102. II. Die Sicherheitspolizei insbesondere. 1. Allgemeine Bemerkung. Die
öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung im Staate hängt ausschließlich von dem gesetz-
lichen Verhalten der Verhalten der Menschen ab. Daher sind auf diesem Gebiete die öffent-
lich-rechtlichen Vorschriften — abgesehen von jenen des Strafrechtes — und die auf deren
Verwirklichung gerichtete Thätigkeit der Verwaltungsbehörde, wie ihre Mittel hierzu wesent-
lich polizeilicher Natur. Es ist daher gerechtfertigt, diese Rechtsverhältnisse und diese Thätig-
keit — die Sicherheitspolizei i. a. S.:) — im unmittelbaren Anschluß an die allgemeine
Erörterung über die Polizei zu behandeln.
Auf allen anderen Interessegebieten tritt die Thätigkeit der Verwaltungsbehörden so-
wohl in der Form der eigentlichen, pflegenden Verwaltung, als in jener der Polizei her-
vor und gestalten sich die Rechtsverhältnisse dem entsprechend. Die Betrachtung geschieht
daher zweckmäßig nach beiden Richtungen gemeinsam.
Die sicherheitspolizeilichen Vorschriften beziehen sich entweder auf das Verhalten der
Einzelnen als solcher, oder auf dasjenige einer Mehrheit in einer gewissen Verbindung
stehender Personen.
Als polizeiliche Vorschriften der Einzel-Sicherheitspolizei kommen vorzugsweise
in Betracht: die allgemeinen über die Feststellung der Persönlichkeit und über Aufenthalt,
und weitere Ordnungsvorschriften und die besonderen hinsichtlich des Verhaltens und der
Ueberwachung gewisser gefahrdrohender Klassen von Persönlichkeiten. Die Mehrheits-Sicher-
heitspolizei bezweckt insbesondere den Schutz vor Gefährdungen in Folge der an eine un-
bestimmte Mehrheit auf dem Wege der Presse gerichteten Anregungen, in Folge der Bil-
dung von Vereinen und Versammlungen, durch sonstige Ansammlungen von Menschen.
1) Gend. Ges. § 36.
2) Zur Sicherheitspolizei im weitern Sinne gehört auch der Schutz der Einzelnen gegen auf
Zufällen beruhende Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigenthum. Doch entspricht der oben
angenommene engere Begriff insbesondere der Auffassung des badischen Rechtes von der Sicherheits-
polizei. Dagegen ist in derselben die Eintheilung in höhere (politische) und niedere Sicherheits-
polizei nicht üblich.