Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

228 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. I. Kapitel. § 110. 
Wenn Gefahr auf dem Verzug ist, darf die Bezirkspolizeibehörde aus den gleichen 
Gründen die einstweilige vorsorgliche Schließung eines Vereins auf die Dauer von 14 Tagen 
anordnen. 
Das Ministerium des Innern kann aus denselben Gründen auch die Theilnahme 
an einem auswärtigen Vereine oder die Verbindung inländischer Vereine mit auswärtigen 
verbieten. 
Volksversammlungen sind ebenfalls zugelassen. Doch darf kein Theilnehmer 
irgend einer Volksversammlung Waffen tragen. Die Vertheilung von Waffen in Volks- 
versammlungen ist verboten. 
Zu allen Volksversammlungen sind der Staatspolizeibeamte oder die von ihm schrift- 
lich Beauftragten auf Verlangen zuzulassen, und es ist ihnen in der Versammlung der 
von ihnen verlangte Platz einzuräumen. Wird die Zulassung verweigert, so kann der Ver- 
treter der Polizei, vorbehaltlich der etwa verwirkten Strafen, die Versammlung alsbald auflösen. 
Volksversammlungen unter freiem Himmel dürfen nur nach vorausgegangener An- 
zeige bei der Bezirkspolizeibehörde stattfinden. Die Anzeige, über welche sofort eine Be- 
scheinigung zu ertheilen ist, muß wenigstens 48 Stunden vor Beginn der Versammlung 
gemacht werden. 
Jede Volksversammlung kann aus den oben bei den Vereinen angegebenen Gründen, 
oder wenn bei derselben die Vorschriften dieses Gesetzes nicht eingehalten werden, von der 
Staatspolizeibehörde zum Voraus verboten oder nach dem Zusammentreten vom Vertreter 
der Polizei aufgelöst werden. 
Zugleich mit dem Ausspruch der Auflösung einer Volksversammlung hat der Ver- 
treter der Polizei die Anwesenden aufzufordern, sich ungesäumt zu entfernen. Gegen Die- 
jenigen, welche dieser Aufforderung nicht Folge leisten, ist Anwendung von Gewalt zulässig. 
Uebertretungen dieses Gesetzes haben je nach Sachlage Geldstrafe, Haft oder Ge- 
fängnißstrafe zur Folge. 
§ 110. c) Maßregeln bei sonstigen Volksbewegungen. Zur Aufrechthaltung der öffent- 
lichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bei Volksfesten und sonstigen außergewöhn- 
lichen Massenansammlungen kann die Bezirks= oder Ortspolizeibehörde besondere Anord- 
nungen treffen, deren Uebertretung strafbar ist ). 
Diese Befugniß findet auch gegenüber solchen Ansammlungen Anwendung, die einen 
bedrohlichen Charakter haben. Ueberhaupt haben zunächst die Civilbehörden mit den ihnen 
zu Gebote stehenden Polizeikräften Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu be- 
gegnen und so lange steht ihnen allein die Anordnung und Leitung der Maßregeln zu. 
Das Militär hat hierbei nicht mitzuwirken und darf in diesen Fällen nicht zur 
bloßen Verstärkung der Polizei gebraucht werden. 
Genügen die Kräfte der Polizeigewalt nicht zur Herstellung der öffentlichen Ruhe und 
Ordnung, so kann der Beistand des Militärs von der Civilbehörde in Anspruch genommen 
werden?). 
Von dem Augenblick der erfolgten Requisition an geht die Anordnung und Leitung 
der Sache allein auf den Militärbefehlshaber über, und die Civilbehörde ist verpflichtet, 
nur nach dessen Anordnungen mitzuwirken, bis Ruhe und Ordnung wiederhergestellt sind. 
Insbesondere hat allein der Militärbefehlshaber zu bestimmen, ob und in welcher Art zur 
Anwendung der Waffen geschritten werden soll. 
Sobald die Ruhe völlig wiederhergestellt ist, treten Militär= und Civilbehörde in 
ihr gewöhnliches Ressortverhältniß zurück. 
1) Pol. Str. G.B. § 59. 
2) Ldh. Verord. v. 3. Febr. 1872, G. u. V. Bl. Nr. VI, S. 81.
	        
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