Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

§ 110. Die Heilveranstaltungen. 243 
Darnach ist zur Aufnahme eines Geisteskranken oder Geistesschwachen in eine öffent- 
liche oder private Irrenanstalt des Landes erforderlich: 
1. ein von den nächsten Angehörigen bezw. dem Vormund des Kranken oder bei 
armenrechtlich hilfsbedürftigen vom unterstützungspflichtigen Armenverband nach Verneh- 
mung der Angehörigen bezw. des Vormundes gestelltes Aufnahmegesuch, belegt durch eine 
bezirksärztliche oder vom Bezirksarzt bestätigte Schilderung der Seelenstörung des Kranken; 
2, eine schriftliche Aeußerung des Bezirksamtes über die Statthaftigkeit der Aufnahme. 
In Fällen nachgewiesener Dringlichkeit kann auf Antrag der Angehörigen die für- 
sorgliche Aufnahme eines Kranken in eine öffentliche Irrenanstalt stattfinden. Auch ohne 
Ansuchen der Angehörigen kann die Aufnahme eines Geisteskranken oder Geistesschwachen 
in eine öffentliche Irrenanstalt stattfinden: 
1) wenn der Kranke von einer Seelenstörung befallen ist, die ihn für sich oder Andere 
gefährlich oder für die öffentliche Schicklichkeit anstößig macht, oder wenn er in Bezug 
auf Aufsicht, Schutz, Verpflegung oder ärztlichen Beistand verwahrlost wird. Ueber die 
Nothwendigkeit der Aufnahme entscheidet auf Grund von Erhebungen das Bezirksamt nach 
Berathung im Bezirksrath; 2) auf Verfügung des Gerichts nach Str. Pr. O. § 81 zur Be- 
obachtung; 3) auf Verfügung des Gerichts als Obervormundschaftsbehörde nach C. Pr.O. 
§ 600; 4) auf Verfügung des Justizministeriums bei Strafgefangenen. 
In anderen, d. h. der Irrenpflege nicht oder nicht vorzugsweise gewidmeten (öffent- 
lichen) Krankenanstalten (Kreispflegeanstalten, Bezirks-, Gemeinde= oder Stiftungsspitälern) 
können Geisteskranke oder Geistesschwache nur auf Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses auf- 
genommen werden, welches die psychiatrische Behandlung und die Unterbringung in eine 
Irrenanstalt für nicht erforderlich erklärt. Dieses Zeugniß muß von dem zuständigen Be- 
zirksarzte oder von dem Vorstand einer öffentlichen Irrenanstalt ausgestellt sein. 
Vorübergehend können ferner in solchen Krankenanstalten Geisteskranke und 
Geistesschwache aufgenommen werden, wenn durch ein Zeugniß des Bezirksarztes bestätigt 
wird, daß die Aufnahme dringlich und die Unterbringung in eine Irrenanstalt zur Zeit 
nicht ausführbar ist. 
In diesen Fällen hat die Anstaltsverwaltung spätestens 14 Tage nach der Aufnahme 
des Kranken dem Bezirksamte des Wohnortes desselben die Aufnahme anzuzeigen und die 
Aktenstücke, auf Grund deren die letztere erfolgt ist, nebst einer gutächtlichen Aeußerung 
des Anstaltsarztes vorzulegen. 
Das Bezirksamt erörtert die Krankheits- und sonstigen Verhältnisse und trifft Ent- 
scheidung darüber, ob die Unterbringung in der Anstalt zulässig sei oder nicht, und letztern- 
falls, ob die Ueberführung des Kranken in eine öffentliche Irrenanstalt einzuleiten oder 
anzuordnen sei. 
Von jeder Aufnahme eines Geisteskranken oder Geistesschwachen in eine öffentliche 
Krankenanstalt sowie von jeder Aufnahme eines Kranken in eine Privatirrenanstalt hat 
der Vorstand der Anstalt dem Bezirksarzt, in dessen Bezirk die Anstalt gelegen ist, binnen 
24 Stunden unter Vorlage der Aufnahmepapiere Anzeige zu machen. 
Für die staatlichen Irrenanstalten bestehen neben diesen allgemeinen Bestimmungen 
besondere Statuten, welche die Verwaltung der Anstalt, das Aufnahmeverfahren, die Be- 
handlung der Kranken, die Berechnung der Verpflegungskosten, die Entlassung regeln #0. 
1) Statut f. d. Heil= und Pflegeanstalt Illenau v. 31. Dez. 1891, G. u.V. Bl. 1892, Nr. I, 
S. 1; Statut f. d. Heil= und Pflegeanstalt Pforzheim v. 10. Juli 1889, G. u. V. Bl. Nr. VIII, S. 116; 
f. d. Heil- und Pflegeanstalt bei Emmendingen v. 10. Juli 1889, G. u. V. Bl. Nr. XVIII, S. 131; 
Stat. f. d. Irrenklinik in Heidelberg und die psychiatrische Klinik in Freiburg s. Bekanntm. d. Min. 
d. Justiz 2c. v. 28. März 1887, G. u. V. Bl. Nr. VIII, S. 87. 
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