12 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. 88.
„Ich schwöre Treue dem Großherzog und der Verfassung, Gehorsam dem Gesetze
und des Fürsten wie des Vaterlandes Wohl nach Kräften zu befördern, so wahr mir
Gott helfe“!).
Die Huldigung ist der gesetzliche Beweis und Bekräftigung der Absicht der Staats-
angehörigen, die staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen. Es wird deshalb, so lange sie
nicht geleistet, jedenfalls wenn sie ausdrücklich verweigert worden ist, die Ausübung der
staatsbürgerlichen (politischen) Rechte nicht in Anspruch genommen werden können?.
8 8. 3. Rechte der Staatsangehörigen. Gemäß dem Zweck der Einordnung der den
Staat bildenden Persönlichkeiten in dessen Organismus kann jeder Staatsangehörige ver-
langen, daß Seitens der Staatsgewalt nur soweit in den Kreis seiner Persönlichkeit ein-
gegriffen werde, als dies im Interesse der Allgemeinheit geboten ist, daß auch jeder von
anderer Seite beabsichtigte unberechtigte Eingriff abgewendet, daß er in der Entwicklung
seiner eigenen Persönlichkeit gefördert und er zur Mitarbeit an der Verwaltung der
öffentlichen Angelegenheiten zugelassen werde. Diese Grundsätze haben auch in dem be-
stehenden Rechte, und zwar theils dem Reichsrechte theils dem Landesrechte, ihre An-
erkennung gefunden. Die so gewährleisteten Rechte der Staatsangehörigen beziehen sich
entweder auf:
A. die äußere Freiheit und Sicherheit der Person, oder
B. die Freiheit der Bewegung der Person, oder
C. die Freiheit der Erwerbsthätigkeit und den Schutz des Erworbenen, oder
D. die Freiheit der geistigen Thätigkeit, oder
E. die Theilnahme an der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten.
Die Förderung der Entwicklung der Persönlichkeit endlich ist die positive Aufgabe
der inneren Verwaltung.
Die in den Gruppen A—D den Einzelnen zustehenden Rechte bezeichnen gleichzeitig
die auf diesen Gebieten dem Eingreifen der vollziehenden Gewalt gezogenen Schranken.
Sie werden sich deshalb — soweit sie auf Landesrecht beruhen — aus der weiter unten
folgenden Darstellung der Funktionen des Staates und zwar der Landesverwaltung
ergeben. Hier soll, im Anschluß an die Verfassungsurkunde nur Folgendes hervorgehoben
werden. Allgemeiner Grundsatz ist nach der V.U. 8§ 7, daß „die staatsbürgerlichen Rechte
aller Badener gleich sind in jeder Hinsicht, wo die Verfassung nicht namentlich und aus-
drücklich eine Ausnahme begründet“. Diesem Grundsatz entspricht auch die in der V. U. 8 8
hervorgehobene Gleichheit der Pflicht, zu den Lasten des Staates beizutragen.
1. Bezüglich der äußeren Freiheit und Sicherheit der Person. Nachdem in
Baden schon 1783 durch Karl Friedrich die Leibeigenschaft aufgehoben und auch in
den Konstitutionsedikten ) der Grundsatz der persönlichen Freiheit wiederholt ausdrücklich
anerkannt worden war, hat die Verfassungsurkunde demselben ebenfalls Ausdruck gegeben.
Nach § 13 ders. „steht die persönliche Freiheit der Badener für Alle auf gleiche Weise
unter dem Schutze der Verfassung“. Willkür gegen die persönliche Freiheit unter dem
Vorwand der strafgerichtlichen Verfolgung ist ausgeschlossen. Es darf nach § 15 der
V. U. „in Kriminalsachen Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen, Niemand anders
als in gesetzlicher Form verhaftet und länger als zweimal 24 Stunden im Gefängniß
1) Ges. v. 7. Juni 1848, Reg. Bl. Nr. XXXVII, S. 167. Die Leistung des Huldigungs= u. Ver-
gessscs hat regelmäßig am Geburtstag Seiner Königl. Hoheit des Großherzogs am Amtsfitze zu
geschehen.
2) Ldh. Verord. v. 25. Nov. 1848, Nr. 2758 u. Min. d. Inn. 30. Dez. 1848, Nr. 20779, in d.
Kreis V.O. Bl.
3) S. insbes. VI. Konst. Ed. 18.