Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 152. Rechtliche Stellung der vereinigten evangelisch-protest. und der römisch-kathol. Kirche. 311 
welche aus denselben hervorgehen, nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Rechte an- 
gehören; 
2. daß auch die innere Organisation und Ordnung der Kirchen, soweit sie in die 
äußere Erscheinung innerhalb des Staates tritt ), öffentlichen, nicht privaten, Rechtes ist; 
3. daß die Organe der Kirchen den Charakter von Behörden, die Diener der Kirchen 
den Charakter von öffentlichen Dienern, Beamten im weitesten Sinne, tragen und als solche 
besonderen Staatsschutzes genießen, aber auch ihre etwaigen Gesetzesübertretungen straf- 
rechtlich besonders ausgezeichnet sind"), 
4. daß die Einrichtungen und Gebräuche dieser Kirchen besonderen staatlichen Schutzes 
genießen 2); · 
5. daß sie auf ewige Dauer berechnete und untheilbare Gemeinschaften sind; 
6. daß aber auch anderseits die Verwaltung ihrer Angelegenheiten nicht in völliger 
Unabhängigkeit vom Staate, sondern nur unter einer gewissen Einwirkung desselben geschehen 
kann. Hiervon wird unten des Näheren die Rede sein; 
7. daß der Staat ihre Zwecke auch seiner Seits durch weltliche Mittel unterstützt. 
Auch hierüber s. u. 
Eine besondere Anerkennung der hohen Wichtigkeit der beiden Kirchen als öffent- 
licher Korporationen liegt endlich 
8. darin, daß dem katholischen Landesbischof und einem vom Großherzog lebens- 
länglich ernannten protestantischen Geistlichen mit dem Range eines Prälaten durch § 29 
der V. U. Sitz und Stimme in der ersten Kammer der Landstände eingeräumtt ist. 
II. Beiden Kirchen ist das Recht der öffentlichen Gottesverehrung gewähr- 
leistet, d. h. das Recht, ihre Gottesverehrung in der Art abzuhalten, daß dazu allgemein 
mittelst der üblichen Zeichen eingeladen und Jedermann der Zutritt gestattet wird, und 
zwar sowohl innerhalb der besonders für den Gottesdienst ständig bestimmten Räumlich- 
keiten als auch außerhalb derselben, letzteres jedoch nur soweit nicht allgemein staatliche 
Interessen, insbesondere die Rücksicht auf andere Konfessionen eine Beschränkung gebieten 
und unter Beobachtungen derjenigen Vorschriften, welche für die Vornahme gewisser Hand- 
lungen an öffentlichen Orten bestehen. Dieses Recht können die Kirchen an allen Orten 
des Landes ausüben, ohne daß hiergegen Seitens eines anderen Konfessionstheiles Ein- 
sprache erhoben werden könnte, selbst wenn sie an dem einen oder anderen Orte eine eigene 
Pfarrei nicht besitzen sollte. 
III. Beide Kirchen ordnen und verwallen ihre Angelegenheiten frei und selbständig, 
sie sind also nicht blos eigenlebige, vom Staate verschiedene Korporationen mit eigener 
Thätigkeits-Möglichkeit anerkannt, sondern es hat auch der Staat, unter Verzicht auf Be- 
vormundung derselben oder auf ständige Theilnahme an der Ordnung und Verwaltung 
der kirchlichen Angelegenheiten durch seine Organe, den Kirchen anheim gegeben, nach Maß- 
gabe ihrer eigenen Verfassung, durch ihre eigenen Organe, mit eigenen Mitteln, nach 
1) Organisation von Kirchengemeinden, Errichtung von kirchlichen Aemtern. 
2) Art. 14 Ziff. VII d. Einf.G. z. R. Str. G.B. in der Fassung v. 1888 bestimmt: 
„Die Verurtheilung eines Geistlichen zur Zuchthausstrafe hat dauernden Verlust des Amtsein- 
kommens und dauernde Ausschließung von der öffentlichen Ausübung kirchlicher Funktionen von rechts- 
wegen zur Folge. 
Die gegen einen Geistlichen ausgesprochene Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der 
Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter bewirkt den dauernden Verlust des Einkommens aus 
dem bekleideten Kirchenamt und den Ausschluß von der öffentlichen Ausübung kirchlicher Funktionen 
für die Dauer der im Urtheil bestimmten Zeit. Vgl. a. R. Str. G. B. § 130 a. 
3) Vgl. R.St.G.B. 8 116. Der weltlichen Feier unterliegen nach der ldh. Verord. v. 1892 außer 
den Sonntagen nur Festtage der beiden christlichen Konfessionen.
	        
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