312 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. 8 152.
eigenem Ermessen und mit eigentlicher Verantwortlichkeit diese Angelegenheiten zu ordnen
und zu verwalten.
Hieraus folgt:
1. der Verkehr der kirchlichen Organe unter sich, insbesondere mit den kirchlichen
Oberen, ist ungehindert;
2. die Ordnung und Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten geschieht bei jeder
der beiden Kirchen nach Maßgabe ihrer Verfassung. Wo also, wie bei der römisch-
katholischen Kirche, diese Verfassung eine Einwirkung eines auswärtigen Kirchenoberen auf
die Verwaltung der inneren kirchlichen Angelegenheiten der betr. Kirche des Landes vor-
schreibt, ist diese Einwirkung ungehindert, aber auch rechtlich indifferent. Dem Staate
gegenüber ist aber nur die inländische Kirchenbehörde Inhaberin der Kirchengewalt und ver-
antwortlich;
3. die Organe der Kirchen werden durch diese selbst bestellt, insbesondere werden
die Kirchenämter durch die Kirchen selbst verliehen !). Diese Freiheit ist jedoch beschränkt
a) durch die etwa anderen Persönlichkeiten zustehenden Ernennungsrechte. Solche
Rechte beruhen entweder
auf dem öffentlichen Rechte. Hierher gehört die Besetzung derjenigen Stellen, welche
der Staatsgewalt vermöge ihres Verwaltungsrechtes zustehen muß, wie z. B. die Besetzung
der Stellen von Geistlichen an Staatsanstalten, bei dem Heere rc. 2), oder
auf dem Privatrechte, insbesondere auf dem Patronate. Dieses Recht kann sowohl
dem Landesherrn als anderen Persönlichkeiten zustehen?):
b) dadurch, daß das Gesetz selbst die Erlangung eines Kirchenamtes
a) nur unter der Voraussetzung des Besitzes gewisser Eigenschaften zuläßt oder
6) beim Vorhandensein gewisser Voraussetzungen nicht zuläßt.
Zu c: Die Kirchenämter können nur an Solche vergeben werden, welche das badische
Staatsbürgerrecht besitzen oder erlangen?).
Die Zulassung zu einem Kirchenamte oder auch nur zur öffentlichen Ausübung
kirchlicher Funktionen ist durch den Nachweis einer allgemein wissenschaftlichen Vorbildung
bedingt. Dazu wird regelmäßig erfordert, daß der Kandidat Zeugnisse über die von ihm
bestandene Abiturienten= bezw. Maturitätsprüfung und den dreijährigen Besuch einer
deutschen Universität, sowie darüber, daß er während seines Universitätsstudiums Vor-
1) Die Errichtung oder Aufhebung einer Kirchenamtsstelle, insbesondere Pfarrei, kann als
Aenderung einer dauernden organischen Einrichtung, sowie wegen der Erlangung der juristischen Per-
sönlichkeit für die betr. Pfründe nur mit besonderer staatlichen Genehmigung erfolgen. Stift.G. § 1.
Unter Kirchenämtern werden an und für sich nur jene ständigen Aemter begriffen, welche sich
auf die Verwaltung der Kirchengewalt beziehen, so daß, wofür auch die Bestimmung des Absatzes 2
des § 9 spricht, die niederen Kirchendienste, wie die der Meßner und Organisten, ausgeschlossen find.
Komm. Ber. d. Zw. K. zu § 8 d. Ges. v. 9. Okt. 1860.
2) Reg. Begr. u. Komm. Ber. d. Zw. K. zu § 7 d. Ges. v. 9. Okt. 1860.
3) Ueber die dem Staate gegenüber der kath. Kirche zustehenden Patronatsrechte vgl. d. ldh.
Verord. v. 20. Nov. 1861, Reg. Bl. Nr. LII, S. 443.
Darnach sind der landesfürstlichen Präsentation 304, der freien Verleihung des Erzbischofs
161 Pfründen überwiesen. Bei weiteren 132 Pfründen sollen, so lange eine anderweite Bestimmung
nicht getroffen wird, die Anmeldungen der Bewerber bei der Staatsregierung erfolgen, welche die-
selben dem erzbischöflichen Ordinariate mittheilt und die ihr etwa in bürgerlicher oder staatsbürger-
licher Beziehung mißfälligen Bewerber unter Angabe des Grundes bezeichnet. Das erzbischöfliche
Ordinariat schlägt aus der Zahl der Bewerber der Staatsregierung drei vor, von welchen der Landes-
herr Einen defignirt (sog. Terna).
S. ferner d. Ges. v. 9. Okt. 1860, die theilweise Aufhebung des Gesetzes v. 24. Febr. 1849, den
Verzicht der Herren Fürsten von Fürstenberg und von Leiningen auf die Gerichtsbarkeit, Polizei
und Patronatsrechte betr., Reg. Bl. Nr. LI, S. 378, die Reg. Begr. dazu; ferner Kirchen-Lehenherr=
lichkeitsedikt v. 24. März 1808, Reg. Bl. Nr. XII, S. 101.
4) Die einstweilige Versehung solcher Aemter durch Nicht-Badener ist nicht ausgeschlossen.