320 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. 8 154.
Eine gewisse Bevorzugung genießt dasselbe durch die den kirchlichen Stiftungen ge—
währte Sportelfreiheit.
Aus staatlichen Mitteln werden, abgesehen von den auf besonderen Rechstiteln
beruhenden Leistungen, zu kirchlichen Zwecken insbesondere folgende Beiträge gewährt:
à) bei beiden Kirchen kommt der Staat im ordentlichen Etat für einen Theil des
Aufwandes der obersten Vermögens-Verwaltungsbehörde auf, also des katholischen Ober-
stiftungsrathes und des evangelischen Oberkirchenrathes und zwar nach Maßgabe besonderer,
durch die Einführung des Beamtengesetzes und der Gehaltsordnung veranlaßter Verein-
barungen mit den obersten Kirchenbehörden 1). Im Uebrigen ist die Aufbringung der Mittel
auch für diese Behörden Sache der Kirchen.
b) Zur Aufbesserung des Pfründeeinkommens gering besoldeter Inhaber von
Kirchenämtern in beiden Kirchen, auf welchen die Obliegenheit einer selbständigen Seelsorge
ruht, wird vom Staate ein Zuschuß nach näherer Maßgabe der darüber erlassenen Gesetze
vom 25. Aug. 1876, 15. Mai 1882 und 5. April 1886 2) gewährt. Der Gesammtbetrag
der Staatszuschüsse für ein Jahr darf die Summe von je 200 000 Mk. für jeden Kon-
fessionstheil nicht übersteigen.
Die den einzelnen Pfarrern zukommenden Staatszuschüsse werden diesen unmittelbar
aus der Staatskasse bezahlt.
Einem Pfarrer, der wegen Amtsmißbrauchs u. ä. 2c. während der letzten zwei Jahre
zu einer Strafe verurtheilt worden ist, kann eine solche Zulage aus Staatsmitteln nicht
ertheilt werden.
Vorerst soll dieser Zuschuß noch bis zur Budgetperiode 1898/99 fortdauern 7).
I) Die evangel. Kirche erhält zum Gehalte des Prälaten einen Zuschuß von jährlich
1714 Mk. (1000 fl.), außerdem einen kleinen Staatsbeitrag für die evangel. Kirche im
Allgemeinen.
§ 154. III. Kirchliche Besteuerung. Ein mit staatlichem Zwang zu verwirklichendes
Besteuerungsrecht zu allgemeineren Zwecken ist den beiden christlichen Kirchen erst in neuester
Zeit eingeräumt worden, und zwar in doppelter Richtung.
1. den Kirchengemeinden für örtliche kirchliche Bedürfnisse, durch Ges. v. 26. Juli 1888;
2. den Landeskirchen für allgemeine kirchliche Bedürfnisse, durch Ges. v. 17. Juni 1892.
Bis dahin hatte nur zum Zwecke der Aufbringung der Mittel für die örtlichen kirch-
lichen Baulichkeiten den Kirchspielsgemeinden ein eigenthümlich gestaltetes Besteuerungsrecht
auf Grund des sog. Kirchenbau-Ediktes v. 26. April 1808 zugestanden?).
Zu 1. Folgendes sind die Hauptbestimmungen des Gesetzes über die örtliche
Kirchensteuer #).
·9□) Bezüglich des katholischen Oberstiftungsrathes s. Landt. 1889/1890, III. Beil.., Anl. 8
z. Budget d. Min. d. Justiz 2c., S. 252; bezüglich des evangelischen Oberkirchenrathes das. V. Beil. H.
S. 440. In diesen Vereinbarungen, mit welchen die Landstände sich einverstanden erklärt haben,
sind auch die betr. Stellen in den Gehaltstarif eingereiht. Dem evangelischen Oberkirchenrath ist
hierbei die Zuständigkeit eines Ministeriums beigelegt.
2) Zusammenstellung s. G. u. V. Bl. 1886, Nr. XV, S. 135.
3) Art. 27 d. Ges. v. 18. Juni 1892, die Besteuerung f. allg. kirchl. Bedürfnisse betr.
4) Siehe hierüber Wielandt, Gemeinderecht 1, 3. Aufl., S. 307. Hiernach lag dem Kirchspiel
kraft öffentlichen Rechtes — in Ermangelung eines privatrechtlich Baupflichtigen — die Pflicht zur
Unterhaltung, Wiederherstellung altvorhandener Hauptkirchengebäude der in den Gemeindegemarkungen
des Kirchspiels allein mit Pfarrrecht vorhandenen oder — wo mehrere Konfessionen Pfarrrechte hatten
— am Normaltage herrschend gewesenen Konfession ob. Die Bestreitung des Aufwandes hierfür war
eine Gemarkungslast derjenigen politischen Gemeinden, die das Kirchspiel bildeten, zu welcher alle in
derselben befindlichen Steuerkapitalien ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit ihres Inhabers, ins-
besondere ohne Rückficht auf die Konfessionseigenschaft, beizusteuern hatten. Das Gesetz über die örtliche
Kirchensteuer hat diese Bestimmungen nur noch übergangsweise und mit Modifikation beibehalten.
5) G. u. V. Bl. 1888, Nr. XXX III, S. 383.