8 158. Rechtliche Verhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft. 335
gemeinden, welche sich räumlich an die politischen Gemeinden, in denen die betreffenden
Israeliten wohnen, anschließen. Jede dieser israelitischen Ortsgemeinden ist eine selb-
ständige öffentlich-rechtliche Persönlichkeit. Ueber die persönliche Mitgliedschaft und Beitrags-
pflicht s. u. ·
Jede israelitische Ortsgemeinde hat ihre eigenen Verwaltungsorgane, ihre eigenen
Anstalten für Gottesdienst, Religionsschule und kirchliche Armenpflege und ihre eigene Ver-
mögensverwaltung mit Steuerrecht.
a) Behufs der Verwaltung der Angelegenheiten der israelitischen Ortsgemeinden
besteht in jeder derselben ein Synagogenrath, mit ähnlichen Aufgaben wie in der evan-
gelischen Kirche der Kirchengemeinderath.
Er besteht je nach der Anzahl der Familien der Gemeinde aus drei bis sieben Mit-
gliedern. Sie werden von der Versammlung der selbständigen israelitischen Gemeindeglieder
gewählt, nach ähnlichen Formen, wie die politischen Gemeindebehörden w.
Aus den Mitgliedern des Synagogenraths ernennt das Bezirksamt nach Vernehmung
der Bezirkssynagoge den Vorsteher, welcher darin — mit Ausnahme des nachfolgend zu
erwähnenden Falles — den Vorsitz führt.
Bei Berathungen, welche Religionssachen zum Gegenstande haben, wird der Rabbiner
an dem Orte seines Wohnstitzes beigezogen und hat den Vorsitz. Außerdem ist er nicht Mit-
glied des Synagogenrathes.
b) Zur Festsetzung des Schatzungskapitales eines jeden steuerpflichtigen Gemeinde-
gliedes besteht außerdem in jeder Gemeinde eine durch Stimmenmehrheit der Gemeinde zu
einem Drittel aus der höchst-, zu einem Drittel aus der mittel“ und zu einem Drittel aus
der niederstbesteuerten Klasse der Gemeindeglieder gewählte Schatzungsbehörde, welche
je nach der Familienzahl der Gemeinde aus drei bis neun Mitgliedern zusammengesetzt ist?).
c) Zu Beschlüssen über gewisse besonders wichtige Angelegenheiten — abgesehen von
den oben erwähnten Wahlhandlungen — tritt die Versammlung der Gemeindemit-
glieder zusammen 3).3
d) Zu den örtlichen kirchlichen Anstalten der israelitischen Ortsgemeinden ge-
hören insbesondere die Synagoge, das Frauenbad, das etwaige Krankenhaus, der Be-
gräbnißplatz — sofern derselbe nicht mit einer oder mehreren anderen israelitischen Ge-
meinden gemeinschaftlich ist — die Religionsschule, zu den örtlichen kirchlichen Diensten
jene des Religionslehrers, des Vorsängers, des Schächters, des Synagogendieners und des
Gemeindeschreibers.
3. Sämmtliche israelitischen Ortsgemeinden, mit Ausnahme jener von Karlsruhe
und Mannheim, deren Synagogenräthe unmittelbar dem Oberrath unterstehen, sind in
Bezirkssynagogen gegliedert, welche unmittelbar unter dem israelitischen Oberrath stehen.
Die Vorsteher der Bezirksfynagogen sind der Bezirksrabbiner und der Bezirksälteste.
Der Geschäftskreis der Bezirkssynagogen umfaßt im Wesentlichen eine gewisse Auf-
sicht über die kirchlichen und sittlichen Zustände in den Ortsgemeinden, auch über die Ver-
waltungsführung der Ortssynagogenräthe.
Der Bezirk derselben bildet zugleich den Sprengel für die gottesdienstliche und seel-
sorgerliche Thätigkeit des betreffenden Rabbiners.
4. Den Bezirkssynagogen ist als oberste Kirchenbehörde der Oberrath der Israe-
1) Bekanntm. d. israel. Oberraths v. 30. Jan. 1885, Verord. Bl. d. Oberraths 1886, Nr. I, S. 1.
2) Ebendaselbst.
3) Hierüber s. Verord. d. Oberr. v. 12. Nov. 1885, Verord. Bl. d. Oberr. Nr. V, S. 41.
In den Städten Freiburg, Karlsruhe, Mannheim vertritt die Stelle der Gemeindeversammlung
ein Ausschuß. Verord. d. Oberr. v. 7. März 1887, angef. Verord.Bl. Nr. II, S. 9.