Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

20 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. § 12. 
4. Das Ehrenrecht des Kirchengebetes 1), des achttägigen Trauergeläuts bei dem 
Tode eines Familienhauptes und der gleichzeitigen Einstellung der Tanzmusik — innerhalb 
der Grundherrschaft. 
III. In allem Uebrigen sind die Rechte und Verpflichtungen der Grundherren denen 
aller anderen Staatsbürger gleich. 
Für die Ausübung der grundherrlichen Vorrechte, soweit sie unter die im 
R. Str. G. B. §§ 31, 33, 34 bezeichneten Kategorien fallen, ist der Besitz der bürger- 
lichen Ehrenrechte nothwendige Voraussetzung?). 
§ 12. 7) Der Standesherren. Standesherrlich im weiteren Sinne sind die aus recht- 
mäßiger ebenbürtiger Ehe stammenden Mitglieder einer solchen, durch die Rheinbunds- 
akte und seitdem bis zur Feststellung der deutschen Bundesakte der badischen Souveränetät 
unterworfenen fürstlichen oder gräflichen Familie, welche bis zum Untergange des ehe- 
maligen Deutschen Reiches dingliche Reichsstandschaft besessen hatte. Standesherren im 
engeren Sinne sind diejenigen männlichen Mitglieder einer solchen Familie, welche zur 
Zeit noch einen innerhalb des Großherzogthums gelegenen Güterkomplex besitzen oder bei 
einem derartigen Besitze betheiligt sind, auf welchem zu Zeiten des ehemaligen Deutschen 
Reichs eine Reichstags= oder Kreistagsstimme ruhte #). 
durch das Ges. v. 15. Febr. 1851 ist die oben bezeichnete Befugniß der Familienältesten nicht eben 
falls aufgehoben worden. Landt. 1850, I. Kam., 1. Beil. H. S. 132. 
1) Sofern die Kirchenbehörde, die hierzu nach der jetzigen Stellung der Kirche nicht gezwungen 
werden kann, ein solches anordnet. 
2) Die Erledigung der Fragen über die staatsrechtlichen Verhältnisse der Standes= und Grund- 
herren steht dem Ministerium des Innern zu. Vollz. V.O. z. Verw.Ges. § 13 Ziff. 5. 
3) Durch die Rheinbundsakte v. 12. Juli 1806 (Art. XXIV) ist eine Anzahl von Fürstlichen 
oder Gräflichen Häusern, welche Landeshoheit und Reichsstandschaft besessen hatten, mit ihren Be- 
sitzungen der Souveränetät des Großherzogs von Baden unterworfen (mediadisirt) worden, nämlich 
die Fürsten von Fürstenberg, von Leiningen, von Löwenstein-Wertheim und von Salm-Reifferscheid- 
Krautheim, sowie die Grafen von Leiningen-Billigheim und von Leiningen-Neudenau. Dabei hatte 
die Rheinbundsakte (insbes. Art. XXVI u. XXVII) das Rechtsverhältniß dieser neuen Unterthanen 
zu dem Staate, welchem sie eingeordnet worden waren, in den Grundzügen festgestellt. Genauer ge- 
schah dies in Bayern durch eine Königl. Verordnung vom 19. März 1807 (abgedr. in Duttlinger, 
Quellen des Bad. Staatsrechts I, S. 327 ff.). Auf der Grundlage der letzteren ordnete in Baden 
Großherzog Karl Friedrich ihr Rechtsverhältniß durch das III. Konst. Ed. vom 22. Juli 1807, 
Reg Bl. Nr. XXIX, S. 141. Ein Theil der hierin den vormal. Reichsständen zugesicherten Rechte 
wurde ihnen unter Großherzog Karl, insbesondere die Patrimonialgerichtsbarkeit und Polizei durch 
das Edikt vom 14. Mai 1813 entzogen. Die deutsche Bundesakte dagegen traf in Art. 14, um 
den im Jahre 1806 und seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen einen gleichförmig 
bleibenden Rechtszustand zu verschaffen, eine Reihe von günstigeren Bestimmungen. 
Dazu war bemerkt: „Bei der nähern Bestimmung der angeführten Befugnisse sowohl, wie 
überhaupt und in allen übrigen Punkten wird zur weiteren Begründung und Feststellung eines in 
allen deutschen Bundesstaaten übereinstimmenden Rechtszustandes der mittelbar gewordenen Fürsten, 
Grafen und Herren die in dem Betreff erlassene Königl. Bayerische Verordnung vom Jahre 1807 
als Bafis und Norm unterlegt werden."“ 
Zum Vollzug erließ Großherzog Karl das Edikt vom 23. April 1818, die Rechtsverhältnisse, 
der vormaligen Reichsstände und Reichsangehörigen betr., Reg. Bl. Nr. IX, S. 45, welches die Ver- 
fassungsurkunde in § 23 für einen Bestandtheil der Staatsverfassungerk lärt hat. Gleichzeitig verlieh 
die V. U. in § 27 den Häuptern der standesherrlichen Familien die Landstandschaft in der Ersten Kammer. 
Zur „Erläuterung und näheren Bestimmung“ des Edikts vom 283. April 1819 erließ Großherzog 
Ludwig jenes vom 16. April 1819, welches jedoch nicht in Vollzug getreten ist. Die Rechtsverhältnisse 
der vormaligen Reichsstände wurden sodann, ähnlich wie jene der Grundherren, durch von der Groß- 
herzoglichen Regierung auf Grund von Verhandlungen mit den einzelnen Familien erlassenen Ver- 
ordnungen, sog. Deklarationen, geordnet, und zwar für jede dieser Familien gesondert, nämlich: 
1. Bezüglich der Fürstl. Fürstenberg'schen Standesherrschaft durch Verordn. v. 12. Dez. 1823 
Reg. Bl. 1824, Nr. I. S. 1, u. Uebereinkunft v. 4. Mai 1825, Reg. Bl. Nr. IX, S. 3, sodann d. 
Ges. v. 24. Febr. 1849, Reg. Bl. Nr. IX, S. 120, u. bezüglich der Patronatsrechte d. Ges. v. 9. Okt. 
1860, Reg Bl. Nr. LI, S. 378. 
2. Bezüglich der Fürstl. Salm-Krautheim'schen Standesherrschaft durch Verord. v. 6. Okt. 
1825, Reg. Bl. Nr. XXV, S. 173, und, nachdem 1839 das Fürstenthum Salm-Krautheim durch Kauf- 
 
	        
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