22 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. 812.
B. Versönliche Vorzüge.
1. Sämmtliche Mitglieder der standesherrlichen Häuser gehören zum hohen Adel
Deutschlands und das ihnen zustehende Recht der Ebenbürtigkeit wird in dem bis zur
Errichtung des rheinischen Bundes damit verbundenen Begriffe anerkannt.
„Die Häupter gehören zu den ersten Standesherren im Staate. Sie und alle
Glieder ihrer Familien gehören zu der privilegirtesten Klasse im Großherzogthum und
genießen alle jene persönlichen Vorzüge und Rechte, welche der ersten Klasse des Adels
im Staate dermalen schon gesetzlich zustehen oder künftig ertheilt werden“ .
2. Sie bedürfen keiner besonderen Erlaubniß der badischen Regierung um in die
Dienste eines anderen deutschen oder mit Deutschland im Frieden lebenden Staates zu
treten; sie sind nur verpflichtet, einen solchen Diensteintritt dem Großherzog anzuzeigen ?.
3. Ueber ihre Familienverträge gilt das Gleiche, wie bei den Grundherren bemerkt.
Sie sind jedoch nicht, wie diese, unbedingt an das Landesrecht gebunden, z. B. sind auch
Mobiliarfideikommisse zulässig. Die Standesherrschaften können ferner besondere Ord-
nungen und Verfügungen über Gegenstände erlassen, welche die Verwaltung ihrer Patri-
monial= und ihrer Eigenthumsrechte betreffen ).
4. Die Mitglieder der standesherrlichen Familien sind ausgenommen von der
Wehrpflicht“).
5. Die Häupter der standesherrlichen Familien sind Mitglieder der ersten Kammer
der badischen Ständeversammlung und treten nach erlangter Volljährigkeit in dieselbe
ein. Von denjenigen standesherrlichen Familien, die in mehrere Zweige sich theilen,
(wie Leiningen und Löwenstein), ist das Haupt eines jeden Familienzweiges, der im
Besitz einer Standesherrschaft sich befindet, Mitglied der ersten Kammer. Während der
Minderjährigkeit des Besitzers einer Standesherrschaft ruht dessen Stimme?).
6. Das Familienhaupt und die ebenbürtigen Familienglieder behalten Titel und
Wappen von ihren ursprünglichen Stammgütern und Herrschaften, die sie vor der Media-
tisirung führten, jedoch mit Hinweglassung aller auf ihre vormaligen Verhältnisse zum
deutschen Reiche sich beziehenden oder sie als Regenten bezeichnenden Beisätze und Würden 5.
7. Das Familienhaupt, welches im Besitze der Stammgüter und Herrschaften ist,
nennt sich Fürst — bezw. bei Leiningen--Billigheim und Neudenau Graf — und Standes-
herr und kann sich der ersten vielfachen Person („Wir“") in Schriften und bei feierlichen
Handlungen bedienen?).
(Dekl. § 3) u. den Grafen von Leiningen (Uebereink. v. 1865) ist ausdrücklich noch zugesagt, daß,
falls in Zukunft den Standesherren im Großherzogthum überhaupt oder einzelnen derselben noch
weitere Vorrechte eingeräumt werden sollten, solche der geleisteten Verzichte ungeachtet auch den oben
genannten Häusern zukommen sollen. 1
* 1) Dekl. Fürstenberg §8§ 3—5, f. Leiningen, Löwenstein, §§ 4, 5; v. d. Leyen, Graf Leiningen
—5.
2) §§ 6, 7 aller Deklarationen. Die weiter zugesicherte „unbeschränkte Freiheit, ihren Auf-
enthalt in jedem zum Deutschen Lande gehörigen oder mit demselben in Frieden lebenden Staate
zu nehmen“, ist jetzt auf Grund der Reichsgesetze ein allgemeines Recht. Diejenigen Mitglieder der
standesherrlichen Familien, welche im großherzoglichen Staatsdienste stehen oder aus großherzoglichen
Staatskassen Penfionen beziehen, sind auch bezüglich des Diensteintrittes den allgemeinen Gesetzen
unterworfen, § 7 d. Dekl.
1s 3) §§ 8 u. 9 d. Dekl. — Solche Familienverträge s. Reg. Bl. 1856, S. 16; 1869, S. 399;
74, S. 531.
4) § 10 d. Deklar.; R.G., betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste, v. 9. Nov. 1867,
Bd. G. Bl. Nr. X, S. 131. «
5) § 11 d. Dekl. V.U. § 27 Ziff. 2, § 28. — Daß das betr. Familienhaupt im Inlande
wohne, wird zur Ausübung dieses Rechtes nicht verlangt.
6) § 12 d. Dekl.
7) Jedoch nicht gegenüber dem Landesherrn und landesherrlichen Behörden, 88 13, 14, 15