8 16. Ordentliche Thronfolge. 27
§ 16. 2. Rechtsgrundsätze über die Thronfolge. A. Ordentliche Thronfolge 1). 1. Ge-
setzlich nothwendige Eigenschaften des Thronfolgers.
Die Fähigkeit und das Recht, im Falle einer Erledigung des großherzoglichen Thrones
denselben nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Erbfolgeordnung zu erlangen, steht nur
denjenigen Personen zu, bei welchen die nachbezeichneten Eigenschaften vorhanden sind:
à) leibliche Abstammung aus einer der zum großherzoglichen Hause gehörigen Linien,
d. h. von Großherzog Karl Friedrich;
b) Abstammung aus rechtmäßiger Ehe und zwar in der Art, daß sowohl der Thron-
folger selbst als seine Eltern und Voreltern bis zu Karl Friedrich in rechtmäßiger Ehe
erzeugt sein müssen. Legitimation durch nachgefolgte Heirath verleiht die Erbfolgeberech-
tigung nicht;
Jc) Abstammung aus einer mit Zustimmung des Staats= und Familienhauptes, d. i.
des Großherzogs geschlossenen Ehe#);
d) Abstammung aus ebenbürtiger Ehe. Die Frage der Ebenbürtigkeit ist nach den
allgemeinen Grundsätzen des Privatfürstenrechts zu beantworten. Hiernach gilt als eben-
bürtig die Ehe mit einem Gliede einer der souveränen oder vormals souveränen Familien
Deutschlands, mit einem Gliede einer der mediatisirten jetzt standesherrlichen Familien des
vormaligen Deutschen Reiches; mit einem Gliede einer der außerdeutschen souveränen
Familien, soweit dieselben und ihre Staaten mit einander im völkerrechtlichen Verkehr stehen,
endlich mit einem Gliede einer solchen außerdeutschen Familie, welche in ihrem Heimathstaat
als eine dem herrschenden Hause nach Abstammung und Herrschaft im Range nahestehende gilt);
e) männliches Geschlecht;
10 insolange Mannsstamm vorhanden ist, Abstammung lediglich im Mannsstamme,
so daß auch alle männlichen Ascendenten selbst von Karl Friedrich abstammen (agnatische
Abstammung). Das Erbfolgerecht der mit einem Weibe beginnenden Linie (cognatische Ab-
stammung) ist zwar an und für sich anerkannt, ruht aber, so lange noch erbfolgeberechtigter
Mannsstamm vorhanden ist, und es haben die Prinzessinnen des großherzoglichen Hauses
bei ihrer Vermählung jeweils den bisher üblichen Verzicht auf die Erbfolge zu leisten.
Erst wenn der Mannsstamm des großherzoglichen Hauses erlischt, geht die Erbfolge auf
die männlichen, ehelichen, ebenbürtigen Nachkommen der Prinzessinnen aus dem großherzog-
lichen Hause über;
8) Nichtinnehabung einer anderweiten Souveränetät. Der zur Thronfolge Berufene
darf nicht gleichzeitig mit der Thronfolge in Baden Souverän oder unmittelbar zur Thron-
1) Haupt-Rechtsquellen: Hausgesetze v. 4. Okt. 1817, V. U. 88 3 u. 4. S. a. Entwurf eines
Regentschaftsgesetzes u. Kom. Ber. der I. Kammer dazu Ldt. 1861/63, I. Km. 1. Beil. H. S. 198 u. 272.
* die geschichtliche Entwicklung der Erbfolge s. v. Jagemunn in „Das Großherzogthum Baden“,
. 553. «
2) Arg. Apanagenges. 8 11.
3) Näheres hierüber s. bei Schulze, Lehrb. d. Dtsch. Staatsrechtes (1881), I, § 96. S. 223. Der
dort mit Recht aufgestellte Satz, daß eine an sich nicht ebenbürtige Ehe durch den hinzutretenden Konsens
der successionsberechtigten Agnaten in eine ebenbürtige verwandelt werden kann, ist in Baden un-
mittelbar praktisch geworben. Mittelst Akte d. do Baden, den 10. Sept. 1806 hat Großherzog Karl
Friedrich mit Zustimmung der Agnaten seinen aus der Ehe mit Freifräulein Luise Geyer von Geyers-
berg entsprossenen Söhnen, den Grafen von Hochberg, Thronfolgerechte für den Fall des Aussterbens
des damals schon vorhandenen erbfolgeberechtigten Mannesstammes und das Recht der Ebenbürtigkeit
verliehen. Durch Hausgesetz vom 4. Okt. 1817 wurden dieselben zu großherzoglichen Prinzen und Mark-
grafen zu Baden erklärt. In Art. X des Frankfurter Territorialrezesses vom 20. Juli 1819 (von
Meyera. a. O. I, S. 343) ist dieses Thronfolgerecht Seitens der vertragschließenden Mächte (Oester-
reich, Preußen und Rußland) ausdrücklich anerkannt worden. Nach jetzigem badischen Rechte hat, da die
Thronfolgeordnung einen Theil der Verfassung bildet, die Erklärung einer an sich ebenbürtigen Ehe zur
ebenbürtigen nur dann Rechtswirkung für das Thronfolgerecht, wenn sie in den für Verfassungs-
gesetze vorgeschriebenen Formen zu Stande gekommen ist.