Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 38. Wesen der landständischen Einrichtung. 49 
Rechtswegen den „Volkswillen“. Es besteht kein Auftraggeber, dessen Aufträge sie zu er— 
füllen hätten und dem sie Rechenschaft schuldig wären. 
b) Den Mitgliedern der Landstände kommt kraft dieser Eigenschaft als Einzelpersonen 
ein gesetzlicher Einfluß auf die Staatsangelegenheiten nicht zu; dieser steht ihnen nur zu 
in Gestalt der Wirksamkeit innerhalb der Ständeversammlung. Als Mitglieder derselben 
sind sie so wenig wie diese Beauftragte irgend Jemandes, sondern bekleiden ein öffentliches 
Amt, welches sie nach bester eigener Ueberzeugung auszufüllen haben. Ihr Amt verpflichtet 
sie, das Wohl nur des Landes in seiner Gesammtheit zu berathen, nicht dasjenige einzel- 
ner Stände oder Landestheile, welchen sie vielleicht persönlich angehören oder von welchen 
sie zu diesem Amte berufen worden sind. Dies gilt gleichmäßig von allen Mitgliedern 
der Landstände, welches auch die Art ihrer Berufung — eigenes Recht, Ernennung oder 
Wahl — sein mag0. 
2. Für das Verhältniß der Landstände zum Großherzog und der von ihm ausgehen- 
den Staatsregierung. „Der Großherzog vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt“ und 
er „übt sie aus“, aber nur „unter den in der Verfassungsurkunde festgesetzten Bestim- 
mungen'“"?2). Die Einrichtung der Landstände bewirkt somit keinerlei Theilung der Staats- 
gewalt, etwa dahin, daß ein Theil derselben den Landständen zukäme. Als Staatswille 
gilt Nichts, was nicht der Großherzog oder die von ihm hierzu beauftragten Beamten als 
solchen bezeichnet hätten. Die Stände haben nur die Aufgabe und das Recht, bei der Bil- 
dung des vom Großherzog kund zu gebenden Staatswillens in der Art mitzuwirken, daß 
innerhalb gewisser Gebiete der Staatsleitung, insbesondere der Gesetzgebung, Nichts als 
Staatswille verkündet werden darf, was nicht ihre Zustimmung erhalten hat. Außerdem 
stehen ihnen gewisse Rechte der Kontrole der Staatsregierung zu. Selbst zu diesen Zwecken 
dürfen sich die Landstände nur auf den Ruf des Großherzogs, als des auch über ihnen 
stehenden Staatsoberhauptes, versammeln und nur so lange versammelt sein, als er es 
anordnetds). Mit anderen Gegenständen, als solchen, welche hiernach die Verfassung zu 
ihrer Berathung für geeignet erklärt hat oder welche der Großherzog besonders an sie ge- 
bracht hat, dürfen sie sich nicht beschäftigen"). Sie bilden hiernach keine auf die Dauer 
berechnete Korporation, sondern nur vorübergehend zusammengerufene Versammlungen von 
Unterthanen ). Sie haben keine Exekutivgewalt und kein Recht, Beamte anzustellen, nicht 
einmal zu ihren eigenen Zwecken). Einmal zusammengerufen aber sind sie, sowohl als 
Gesammtheit, wie als Einzelne in der Ausübung ihrer Befugnisse und Pflichten völlig frei 
und unabhängig. 
3. Für den Staat als Gesammtheit sind die Landstände nicht minder ein Organ, 
durch welches derselbe seinen Willen bildet, als der Großherzog und die von ihm aus- 
gehende Staatsregierung. Und zwar sind sie im Verfassungsstaate ein nothwendiges Or- 
gan, denn ohne ihr Bestehen würde der Großherzog auch die Verfassung nach seinem sub- 
jektiven Willen gestalten können"). Die Uebereinstimmung des Willens der Landstände 
1) V. U. § 48: „Die Ständeglieder find berufen, über die Gegenstände ihrer Berathungen nach 
eigener Ueberzeugung abzustimmen. Sie dürfen von ihren Kommittenden keine Instruktionen an- 
nehmen." Der nach § 69 d. V. U. von den Ständegliedern zu leistende Eid geht u. A. dahin: — — 
ain der Ständeversammlung nur des ganzen Landes allgemeines Wohl und Bestes, ohne Rücksficht 
auf besondere Stände oder Klassen, nach meiner innern Ueberzeugung zu berathen."“ 
2) V. U. § 5. 
3) V. U. §§ 42, 52. 
4) V. U. § 50. 
5) Daher schwört jedes Ständeglied „Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze". V. U. 8# 69. 
6) V. U. § 75. 
7) Der Eid der Ständeglieder verpflichtet deshalb sie mit Recht zur „Beobachtung und Auf- 
rechthaltung der Staatsverfassung.“ V. U. § 69. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Baden. 4
	        
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