Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 35. Festsetzung der Staatseinnahmen. 61 
3. Die Regierung ist rechtlich nicht ermächtigt, aus Staatsmitteln Ausgaben zu 
machen, welche von den Landständen rechtlich nicht genehmigt worden sind. Hieraus und 
aus der Erwägung, daß die Genehmigung sich naturgemäß nicht nur auf die Summe, son- 
dern auch auf die Art der Verwendung derselben bezieht, folgt: 
a) Die Regierung ist — ohne besondere Ermächtigung — nicht befugt, die für den 
einen Zweck bewilligten Summen oder auch nur Ersparnisse an denselben für andere Zwecke 
zu verwenden ). 
b) Die Regierung ist verpflichtet, bei ihren Ausgaben aus Staatsmitteln sich innerhalb 
der bewilligten Summen zu halten. Jede Ueberschreitung — sofern sie nicht unter die 
oben erwähnten Ausnahmen fällt — geschieht auf Verantwortung des betr. Ministers und 
bedarf in der Regel der nachträglichen Genehmigung der Landstände. Näheres hierüber 
im „Finanzrecht". 
4. Die großherzogliche Regierung ist, sofern nicht der Wille des Gesetzes nachweisbar 
ein anderer ist, nicht blos berechtigt, sondern auch verpflichtet, den im Finanzgesetz durch 
die Bewilligung gewisser Ausgabesätze kundgegebenen auf die Erfüllung bestimmter Staats- 
aufgaben gerichteten Staatswillen zu vollziehen. 
5) Ergibt sich im Laufe der Budgetperiode die Nothwendigkeit, Ausgaben zu machen, 
die im Staatshaushalts-Gesetz nicht vorgesehen sind und nicht verschoben werden können, 
so ist der Großherzog, unter Verantwortlichkeit der Minister, befugt, solche zu machen, 
falls sie aus den vorhandenen Staatsmitteln bestritten werden können. Dem nächsten Land- 
tag sind derartige Anordnungen („Administrativ-Kredite“) zur nachträglichen Genehmi- 
gung vorzulegen . 
Ist zur Bestreitung derselben ein Anlehen erforderlich, so ist zu dessen Aufnahme, 
wenn der Betrag mit den Kosten einer außerordentlichen Versammlung der Stände nicht im 
Verhältniß steht, die Zustimmung der Mehrheit des landständischen Ausschusses einzuholen, 
andernfalls erübrigt nur die Einberufung einer außerordentlichen Ständeversammlung. 
§35. Festsetzung der Staatseinnahmen. „Ohne Zustimmung der Stände kann keine 
Auflage ausgeschrieben und erhoben werden 3).“ Es ist somit Recht und Pflicht der Stände, 
die Nothwendigkeit und Angemessenheit der von der großherzoglichen Regierung vorgeschlagenen 
Steuern zu prüfen. Zu diesem Zwecke steht ihnen nicht blos zu, die Nothwendigkeit oder 
Angemessenheit der Staatsausgaben zu prüfen, sondern auch davon sich zu überzeugen, daß 
der Staatskasse alle diejenigen Einnahmen auch wirklich zufließen, die sie nach den Grund- 
sätzen des Rechtes und einer guten Finanzwirthschaft zu beziehen in der Lage ist. Den 
Ständen wird deshalb „mit dem Entwurf des Auflagengesetzes das Staatsbudget über- 
der Frage der Zweckmäßigkeit ganz abgesehen — für die Faktoren des Staatswillens rechtlich noch 
eine offene. Es muß daher jedem dieser Faktoren frei stehen, diese Frage sich nach seiner eigenen 
Ueberzeugung unter dem Bewußtsein der eigenen Verantwortlichkeit zu beantworten. Wie er fie 
beantworten will, ist nicht eine rechtliche, sondern eine politische Frage. Anders, wenn der Staat 
seinen Willen bereits dahin festgestellt hat, daß eine gewisse Ausgabe gemacht werden muß. Und 
zwar kann dies geschehen sein entweder durch ein Gesetz oder durch Eingehen privatrechtlicher Ver- 
pflichtungen. Hier besteht bereits ein positiver, gebietender Staatswille und zwar so lange, bis ein 
anderer Staatswille an seine Stelle tritt. Dies ist aber nicht der Fall, wenn eine von der Re- 
gierung in's Budget ausgenommene Ausgabe abgelehnt wurde. Denn alsdann ist in dieser Beziehung 
wegen Mangels an Uebereinstimmung der den Staatswillen bildenden Faktoren gar kein Staats- 
wille zu Stande gekommen. Derartige, durch Gesetz oder privatrechtliche Verpflichtung festgelegte Aus- 
gaben, auch wenn fie abgelehnt wurden, zu machen, ist deshalb die Regierung nicht etwa entschuldigt, 
sondern verpflichtet. Im Uebrigen liegt, wenn die Landstände Ausgaben ablehnen, welche die Re- 
gierung für sachlich unbedingt nothwendig hält — ohne daß sie in dem oben entwickelten Sinne 
rechtlich geboten wären — nicht ein rechtlicher, sondern ein politischer Konflikt vor. 
1) Etat. Ges. Art. 6, 11. 
2) Arg. V. U. §§ 66, 57. Etat Ges. Art. 11, 12. Näheres im Finanzrecht. 
3) V. u. g 53.
	        
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