64 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. 836.
1. In dem Falle, wenn die Ständeversammlung aufgelöst wird, ohne daß das
Staatshaushaltsetatsgesetz oder ein anderes Gesetz über die Bewilligung der Steuern
zu Stande gekommen ist, desgleichen, wenn den Ständen das Staatshaushaltsetats-
gesetz zwar vorgelegt ist, die Verhandlungen über dasselbe aber sich verzögern, dürfen
die alten, d. h. die im letzten Staatshaushaltsetatsgesetz bewilligten Steuern, unständige
sowohl als ständige, nach den Abgabesätzen, wie sie letztmals bewilligt worden sind, noch
sechs Monate nach Ablauf der Bewilligungszeit erhoben werden ½.
2. Bei Rüstungen zu einem Kriege und während der Dauer eines Krieges kann der
Großherzog zur schleunigen und wirksamen Erfüllung seiner Pflichten gegen das Reich
auch vor eingeholter Zustimmung der Stände Kriegssteuern ausschreiben.
Für diesen Fall ist den Ständen eine nähere Einsicht und Mitwirkung in der Ver-
waltung in der Art eingeräumt, daß der alsdann zusammen zu berufende ständische Aus-
schuß zwei Mitglieder an das Ministerium der Finanzen abordnen darf, um darauf zu
wachen, daß die zu Kriegszwecken erhobenen Gelder auch wirklich und ausschließlich zu
diesen Zwecken verwendet werden?.
§ 36. Landständische Kontrole über die Verwendung der Staatsgelder. Zur Er-
gänzung des den Landständen zustehenden Rechtes der Bewilligung der Staats-Ausgaben
und Einnahmen bestimmt die Verfassung, daß denselben jeweils bei der Vorlage des
Staatsbudgets eine detaillirte Uebersicht über die Verwendung der verwilligten Gelder von
den früheren Etatsjahren zu übergeben sei ). Diese Vorlage hat einen doppelten Zweck:
sie soll einmal den Ständen die Möglichkeit gewähren, zu prüfen, ob die großherzogliche
Regierung sich innerhalb des gesetzlich festgestellten Budgets gehalten hat, anderseits eine
rechnungsmäßig sichere Grundlage für die Berathung des neuen Budgets gewähren.
Diese Vorlage ist jeweils mit dem Entwurf des Staatshaushaltsetatsgesetzes, so-
nach in der Regel dem ordentlichen, alle zwei Jahre sich versammelnde Landtag, wird
aber einem außerordentlichen Landtag jenes Gesetz vorgelegt, diesem zu machen. Sie hat
sich auf den gesammten Staatshaushalt, soweit derselbe der ständischen Bewilligung unter-
liegt, zu erstrecken und muß eine detaillirte sein.
Es darf darin insbesondere kein Posten für geheime Ausgaben vorkommen, wofür
nicht eine schriftliche, von einem Mitglied des Staatsministeriums kontrasignirte, Ver-
sicherung des Großherzogs beigebracht wird, daß die Summe zum wahren Besten des
Landes verwendet worden sei oder verwendet werden solle .
Näheres hierüber s. u. im Finanzrecht.
Die Stände sind befugt, diese Nachweisung zu prüfen, zu diesem Behufe noch etwa
weiter erforderliche Nachweisungen und Aufklärungen zu verlangen und sich darüber aus-
zusprechen, ob darnach die von der großherzoglichen Regierung gemachten Einnahmen und
Ausgaben für gerechtfertigt zu erklären seien. Letzteres gilt insbesondere von Ueberschrei-
tungen der genehmigten Ausgabe-Etatssätze und von solchen Ausgaben, für welche im Etats-
gesetz eine Genehmigung nicht enthalten war.
1) V. U. 5 62. In dem zweiten dieser Fälle wird also vorausgesetzt, daß das Staatsbudget
den Ständen überhaupt vorgelegt worden ist. Uebrigens pflegt in diesem Falle jeweils ein Gesetz
vereinbart zu werden, welches die großherzogliche Regierung ermächtigt, die direkten und indirekten Steuern,
welche innerhalb der nächsten, jeweils bezeichneten Monate zum Einzug kommen, nach dem seitherigen
Umlagefuß und nach den bestehenden Gesetzen und Tarifen zu erheben, soweit nicht durch neue Gesetze
Abänderungen verfügt werden.
2) V. U. § 63. Die Bestimmung bezüglich der Einficht der Stände in die Verwendung der
Kriegssteuern und die weiter in Ziff. 2 d. § 63 d. V. U. enthaltene, über die Mitwirkung des stän-
dischen Ausschusses in der „wegen Kriegsprästationen aller Art“ aufzustellenden Kriegskommission 2c. 2c.,
bedarf in Folge der zwischen Baden und Preußen abgeschlossenen Militärkonvention der Revifion.
3) V. U. § 55. 4) V. U. § 55.