80 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 8 45.
theoretisch folgerichtig durchgeführt, sondern aus Zweckmäßigkeitsgründen mehrfach modi-
fizirt. Innerhalb einer jeden dieser Gruppen werden sämmtliche, innerhalb des ganzen
Landes sich ergebenden staatlichen Geschäfte theils unmittelbar besorgt, theils geleitet durch
eine Oberbehörde, an deren Spitze ein Mitglied des Staatsministeriums als verantwort-
licher Vorstand steht, d. i. durch ein Ministerium.
Es bestehen zur Zeit vier Ministerien (s. u.).
Jedes derselben besteht aus dem dafür verantwortlichen Minister oder Präsidenten #)
und einer Anzahl von vortragenden Räthen?). Zur Besorgung der Kanzleigeschäfte ist
das erforderliche Kanzleipersonal (Sekretäre, Revisoren, Expeditoren, Registratoren, Kanzlei-
gehilfen, Dienern) beigegeben. Diese Behörde ist ihrer äußeren Form nach ein Kollegium,
wie auch die Entschließungen derselben in der Regel sich als von dem „Ministerium“, nicht
von der Person des Ministers ausgehend bezeichnen. Auch die Geschäftsbehandlung ist
dußerlich eine kollegialische; die Beschlüsse werden in der Regel theils in der Sitzung der
Ministerialmitglieder, theils außerhalb derselben durch Uebereinstimmung der Meinung
von drei Kollegialmitgliedern gefaßt. Allein ihrem Wesen nach ist sie mit Ausnahme der-
jenigen Angelegenheiten, in welchen eine kollegiale Behandlung — weil es sich nicht sowohl
um eine Verwaltungshandlung, als um eine Entscheidung nach Maßgabe des bestehenden
Rechtes handelt — ausdrücklich vorgeschrieben ist, nicht eine kollegialische, sondern eine
bureaukratische; die Entschließungen des Ministeriums sind, mit der eben erwähnten Aus-
nahme, nur Entschließungen des Ministers. Selbst diejenigen Beschlüsse des Ministeriums,
bei welchen der Minister thatsächlich nicht mitgewirkt hat, gelten rechtlich, mit Voraus-
setzung seiner stillschweigenden Billigung, als von ihm ausgegangen. Die Kollegialmitglieder
des Ministeriums sind rechtlich nichts anderes als die Räthe des Ministers, tragen nur
ihm vor, er allein beschließt, ohne an ihre Meinung gebunden zu sein.
Die verantwortlichen Chefs der Ministerien sind daher befugt, zu Erreichung einer
möglichst einheitlichen und wirksamen Erledigung der ihnen übertragenen Obliegenheiten
den Geschäftsgang in ihren Ministerien und mit den ihnen untergeordneten Behörden
selbständig zu regeln, insbesondere nach ihrem Ermessen sich von Mitgliedern der Mini-
sterien oder anderer ihnen untergebener Behörden Vortrag erstatten zu lassen 3).
1) Die Betitelung des verantwortlichen Ministerialvorstandes, ob als Minister oder als Prä-
sident, als Geh. Rath erster Klasse, als Staatsrath, als Geh. Rath zweiter Klasse 2c. 2c., ist nur für
den persönlichen Rang, nicht für die rechtliche Stellung von Bedeutung. Seit den letzten Jahrzehnten
trägt regelmäßig nur der Präsident des Staatsministeriums, „der leitende Minister“, den Titel
„Staatsminister“, gleichviel welchem Fachministerium er gleichzeitig vorsteht.
2) Unter verschiedenen, blos eine Verschiedenheit des Dienstranges, nicht der rechtlichen Stellung,
bezeichnenden Titeln, als: Geheime Räthe zweiter Klasse, Geh. Legations-, Oberregierungs-, Oberfinanz-,
Legations-, Ministerialräthe (der regelmäßige Titel) Ministerial-Assessoren oder Regierungsräthe;
Ministerialdirektoren oder vorsitzende Räthe sind diejenigen vortragenden Räthe, welche in Abwesen-
heit oder bei Verhinderung des Ministerial-Vorstandes — übrigens ohne dessen leitende und ver-
antwortliche Stellung — den Vorsitz zu führen und zu unterzeichnen berufen sind.
3) Ldh. Verord. v. 20. Febr. 1863, die Organisation der oberen Staatsbehörden betr., Reg.=
Bl. Nr. IX, S. 57. Die Chefs der Ministerien sind insbesondere ermächtigt:
1. in allen Fällen, die ihrer Entscheidung vorbehalten find, oder die sie durch besondere An-
ordnung zur Entscheidung an sich ziehen, sich von den Direktoren der Centralmittelstellen mündlichen
oder schriftlichen Vortrag erstatten zu lassen oder dieselben zu den Sitzungen der Ministerien zu be-
rufen, oder denselben das Referat über einzelne wichtigere Gegenstände aus dem Geschäftskreis der
Ministerien zu übertragen;
2. aus den Mitgliedern ihrer Ministerien nach Bedürfniß zur Besorgung bestimmter Ge-
schäftszweige Abtheilungen zu bilden und soweit es zweckmäßig erscheint, diesen Abtheilungen auch
Mitglieder der Centralmittelstellen beizugeben;
3. eben solche Abtheilungen in den Centralmittelstellen anzuordnen;
4. jederzeit Mitglieder ihrer Ministerien den Sitzungen der ihnen untergebenen Central-=
mittelstellen anwohnen zu lassen.
Den Ministerialvorständen ist ferner die Bestimmung darüber überlassen, welchem Geschäfts-