Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 46. Das Staatsministerium und die Minister. 83 
Für das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe finden die Vorschriften der Ge- 
richtsverfassung und Strafprozeßordnung über die Hauptverhandlung entsprechende Anwen- 
dung neben einigen besonderen Bestimmungen. 
Die Anklage muß die Thatsachen, auf welche sie gegründet wird, und die dafür 
erforderlichen Beweise, die Bezeichnung der dem Angeklagten zur Last gelegten Verschuldung 
und die Anträge enthalten. 
Neue Anschuldigungsthatsachen können im Laufe des Verfahrens nicht vorgebracht oder 
berücksichtigt werden. 
Der Angeklagte kann nur wegen der Verschuldung verurtheilt werden, welche in der 
Anklage ausdrücklich bezeichnet ist. 
Bleibt der Angeklagte und sein Vertreter bei der Hauptverhandlung aus, ohne aus 
Gründen, welche der Gerichtshof für genügend erachtet, um Verlegung der Tagfahrt gebeten 
zu haben, so wird die Verhandlung dennoch vorgenommen. Zur Schuldigerklärung sind 
zwei Dritttheile der Stimmen erforderlich. 
Im Falle der Verurtheilung ist die Entlassung des Angeklagten aus dem Staats- 
dienste zu erkennen. 
Diese Folge der Verurtheilung kann nur aus Antrag oder mit Zustimmung der 
Stände wieder aufgehoben werden. 
Ueber etwaige Entschädigungsforderungen steht dem Staatsgerichtshof keine Ent- 
scheidung zu. 
Im Falle der Verurtheilung ist zugleich über die Kosten zu entscheiden. Bezüglich 
derselben entscheidet einfache Stimmenmehrheit. 
Die durch Bestellung und Einberufung des Staatsgerichtshofes veranlaßten Kosten 
bleiben jedenfalls der Staatskasse zur Last. 
Nach Verkündung des Urtheils ist eine Ausfertigung desselben dem Landesherrn mit- 
zutheilen. 
Ein Rechtsmittel gegen das Urtheil findet nicht statt?). 
Wird ein Minister oder ein Mitglied der obersten Staatsbehörde beschuldigt, zugleich 
mit den Verletzungen, welche zur Ministeranklage berechtigen, oder auch ohne eine solche, 
ein Staatsverbrechen oder ein gemeines Verbrechen durch Mißbrauch seines Amts begangen 
zu haben, so ist die Zweite Kammer befugt, zu beantragen, daß der Staatsgerichtshof den 
Beschuldigten wegen dieses Vergehens vor das zuständige ordentliche Strafgericht zur Ab- 
urtheilung verweise. 
Dieser Antrag ist in den für Ministeranklagen vorgeschriebenen Formen zu beschließen 
und mit der Anklage, wo eine solche stattfindet, zu verbinden, andernfalls aber selbst- 
ständig bei dem Staatsgerichtshof zu stellen. 
Findet der Staatsgerichtshof diesen Antrag begründet, so verweist er den Beschul- 
digten zur Aburtheilung wegen des betreffenden Vergehens vor das zuständige ordentliche 
Strafgericht und beauftragt die zuständige Staatsanwaltschaft mit der weiteren Verfolgung 
der Sache. 
Richter, welche Mitglieder des Staatsgerichtshofes waren, sollen bei der strafgericht- 
lichen Erledigung der Sache nicht mitwirken 2). 
Bei diesem ganzen Verfahren erscheint die Zweite Kammer nicht als eine Prozeß- 
partei, sondern als Theil der Volksvertretung, der eine ihm obliegende politische Pflicht 
erfüllt?). 
1) V. U. § 67b; Angef. Ges. 88 16—23. 2) V. U. § 67 c; angef. Ges. § 24. 
3) Bis jetzt ist noch kein Fall einer Ministeranklage vorgekommen. 
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