IV.
Freiherr von Stein schrieb im Jahr 1811 an Dr. Eiselen, den
Erzieher des jüngsten Grafen Fritz Arnim von Boytzenburg:
„Der Einfluss der Geschichte ist wohlthätig für
„einjungesGemüt, wenn sie gründlich, treu, einfältig studiert
„wird und man nicht auf der Bahn metaphysischer Schwätzer und
„politischer Sophisten daherwandelt; sie erhebt uns ü ber das
„Gemeine der Zeitgenossen und macht uns bekannt mit dem,
„was die edelsten und grössten Menschen geleistet
„und was Trägheit, Sinnlichkeit, Gemeinheit oder verkehrte An-
„wendung grosser Kräfte zerstört haben“.
In diesen mahnendem Gedanken des grossen verdienstvollen
Staatsınannes und Patrioten liegt der hohe Wert ausgedrückt,
welchen die Kenntnis der Geschichte für Jeden haben muss.
Dieselbe ist bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt von unse-
rem jungen Kaiser warm und eindringlich als die wahre Lehrmeisterin
für das Verständnis unserer Zeit und deren Strömungen bezeichnet
und zu besonderer Pflege empfohlen worden.
Die tagweise Aufzählung der politischen und kulturhistorischen
Ereignisse vergangener Zeiten erweckt die Erinnerung an die be-
deutsamen Gedenktage der Geschichte, an deren Bedeutung,
Veranlassung und Folgen und regt das Bestreben an, sich mit den-
selben noch weiter und eingehender bekannt zu machen. Das wirkt
bildend, veredelnd und stählend, wie es schon vor fast vier Jahr-
hunderten Melanchthon erkannte und wie es sich seither bei vielen
grossen Männern so wirksam bewährt hat und auch nicht ohne
Einfluss bei der politischen Gestaltung unseres Vaterlandes seit
nahezu 40 Jahren geblieben ist.
Als ıch zu „Anfang der Sechziger Jahre im Verlag von
J. Schneider in Mannheim die „Geschichtsblätter für Stadt
und Land” herausgab, fügte ich denselben regelmässig auch einen
„@eschichtskalender,“ vorwiegend die politischen Ereignisse
aller Völker behandelnd bei, und hatte die Genugthuung, dass da-
durch das Interesse für mein zeitschriftliches Unternehmen nicht
nur gehoben, sondern mir auch vielfach eine anerkennende Belobung
und anregende Aufmunterung zu teil wurde. Leider musste das
Unternehmen in den Kriegsstürmen von 1866 eingehen, und nach
dem letzten Bruderkriege deutscher Nation war eigentlich auch der
patriotische Zweck der „Geschichtsblätter“ hinfällig zeworden, so
dass bei der teilweise errungenen nationalen Einheit auf die
vorige zahlreiche Beteiligung der patriotischen Kreise nicht wohl