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1890. Die Konferenz zur Reform des höheren Schul-
wesens wird in Gegenwart des Kaisers Wilhelm II.
im Kultusministerium zu Berlin eröffnet.
Der Kultusminister stellte dem Kaiser die Konferenzmitglieder
einzeln vor und skizzierte dann in einer Ansprache die geschichtliche
Entwicklung des preussischens höheren Schulwesens. Der Kaiser dankte
dem Kultusminister in huldvollster Weise für Das, was er als Minister
geleistet und entwickelte dann in längerer Ansprache seine Anschauung
über die Reform des höheren Schulwesens. Er ging dabei von seiner
persönlichen Erfahrung auf dem Gymnasium in Kassel aus und betonte
die Notwendigkeit einer nationalen Erziehung. Der Kaiser
will die Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligendienst an ein eigenes,
nach vollendentem 6. Schuljahre abzuleistendes Examen geknüpft sehen.
Dem Realgymnasium sprach der Kaiser die Existenzbe-
rechtigung ab.
Der Kaiser legte der Konferenz seinerseits eine Anzahl Fragen vor,
in denen er die Hoffnung aussprach, dass auch sie Berücksichtigung finden
werden. Er sagte: Zunächst Schul-Hygiene ausser Turnen — eine
Sache, die sehr genau erwogen werden muss, sodann Verminderungdes
Lehrstoffes, (Erwägung des Auszuscheidenden), ferner die Lehrpläne für
die einzelnen Fächer, sodann die Lehrmethode für die Organisation. Ist
der Hauptballast aus dem Examen beseitigt und die Ueber-
bürdung in Zukunft vermieden? Wie denkt man sich die Kontrole, wenn
das Werk zu Stande gekommen? Regelmässige und ausserordentliche
Revisionen durch verschiedene Oberbehörden? Dann fuhr der Kaiser
u. A. fort: „Wenn die Schule gethan hätte, was vonihr zu
verlangen ist, so hätte sie von vornherein das Gefecht
gegen die Sozialdemokratie unternehmen müssen. Die
Lehrerkollegien hätten alle miteinander die Sache fest ergreifen und die
heranwachsende Generation so instruieren müssen, dass diejenigen jungen
Leute, die mit mir etwa gleichalterig sind, also von etwa 30 Jahren, von
selbst bereits das Material bilden würden, mit dem ichim
Staate arbeiten könnte, um der Bewegung schnell Herr
zu werden. Dasist aber nicht der Fallgewesen“