Die Selbstverwaltung
Von Dr. Siegfried Körte, Oberbürgermeister in Königsberg Pr., M. d. H.
Eine zusammenfassende Betrachtung der Selbstverwaltung im letzten VBierteljahr--
hundert wird am zweckmäßigsten, unter Abstandnahme von mancherlei, ihr Wesen und
ihre Arten betreffenden theoretischen Erörterungen, den Blick dahin richten, wo ihre
Wiege in Preußen und Deutschland gestanden hat und wo sie unbestreitbar am frühe-
sten, wohl auch allgemeiner Meinung nach am reinsten in die Erscheinung getreten ist
— auf die Stadtgemeinden. Daß in ihnen in den letztverflossenen 25 Zahren gewaltige
Fortschritte nach den verschiedensten Richtungen menschlichen Gemeinschaftslebens er-
zielt worden sind, wird in Deutschland im allgemeinen nicht bestritten, im Ausland viel-
fach bewundernd anerkannt. Wie spiegelt sich in solchen insonderheit die Selbstverwal-
tung als Organisationsform, als geistige, lebenfördernde Macht? Hat sie noch immer
erfüllt und erfüllen können, was ihr genialer staatsmännischer Schöpfer, der Reichsfreiherr
vom Stein, in seiner berühmten Nassauer Denkschrift vom Zuni 1807 von ihr erhoffte:
„Der Formenkram und Dienstmechanismus in den Kollegien wird durch Auf-
nehmen von AMenschen aus dem Gewirre des praktischen Lebens zertrümmert
und an seine Stelle tritt ein lebendiger, fest sterbender, schaffender Geist und ein
aus der Fülle der Natur gewonnener Reichtum von Ansichten und Gefühlen..“
und als Wirkung:
.. eine „Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinnes, Benutzung der schlafen-
den und falsch geleiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse“ 2
Und welche Hoffnungen und Wünsche bleiben vom Standpunkt der bisherigen
Entwickelung der Selbstverwaltung noch zu erfüllen? — Has sind Fragen, die sich uns,
rückwärts- und mit dem schnellflutenden Leben zugleich vorwärtsschauend, naturgemäß
aufdrängen.
Daß die in den Stadtgemeinden erreichten vielfachen Lebensfortschritte nicht etwa
ausschließlich als Ergebnisse der Selbstverwaltung angesprochen werden sollen, oder
können, liegt auf der Hand. Ihre berufenen VBertreter wie überzeugten Verehrer sind
sich dessen so klar wie dankbar bewußt, daß das Erreichte nur unter dem starken Schutz
eines machtvoll in der Welt sich entwickelnden Vaterlandes, unter den Segnungen einer
ungetrübten Friedenszeit, dank der mannigfachen Förderung der Gesetzgebung des
Reiches wie der Bundesstaaten möglich gewesen ist. Wie hätte es anders, um nur wenige
Beispiele anzuführen, im äußeren Auf- und Alusbau der deutschen Städte, in der Für-
sorge für Bildung, Kunst und Wissenschaft, in gemeindlichen Wohlfahrtseinrichtungen
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