VI. Buch. Die Maschinen-Industrie. 99
Zhre Anwendung übt heute großen Einfluß auf den Bau elektrisch betriebener Maschinen,
besonders der Hebemaschinen aus.
Von besonderer Wichtigkeit ist auch der Fortschritt in der Herstellung von Rohren,
besonders der nahtlosen Rohre, für höhen Druck, hohe Temperatur und große Längen
der Leitungen. Die Vervollkommnung der Isoliermaterialien ist von Einfluß gewesen
auf die Fernleitung von Wärme und Kälte in Rohrleitungen.
Die Vernietungen werden heute infolge der neuen auf Versuche gegründeten
Erkenntnisse anders und sorgfältiger behandelt als früher, die neuen Kessel, Eisenbauten
und Brücken tragen dem Rechnung.
Ein neues Konstruktions-Element für chemische Apparate von hohem Oruck und
wechselnder Temperatur ist der nahtlos gepreßte und gewalzte Gefäßzplinder.
Die Wahl der Form und der Abmessungen der Maschinenteile ist nach drei Rich--
tungen genauer und richtiger geworden. An die Stelle des, den Verhältnissen nur in
engen Grenzen Rechnung tragenden Maschinenbau-Rezeptes ist die Berechnung nach
den Regeln der Mechanik und Festigkeitslehre, an die Stelle der Verhältniszahlen die
Berücksichtigung der elastischen Formänderungen, der Erzitterungen und periodischen
Schwingungen unter dem Einfluß des Kräftespieles der Maschine getreten. Die Rück-
sicht auf falsch verstandene Isthetik ist dem Prinzip der Zweckmäßigkeit und der Be-
dingung rascher, billiger und dabei genauer Herstellung gewichen. Die früher in so weit-
gehendem Maße nötige Paßarbeit bei der Montage der Maschine ist nahezu ausge-
schaltet, die Teile müsseen, wie man sich übertrieben ausdrückt, zur fertigen Maschine
von selbst zusammenfallen. Das kann aber die Werkstätte nicht allein leisten, der Kon-
strukteur muß von Hause aus darauf hinarbeiten.
Praktische Ausbildung Aus diesem Grunde ist eine sehr sorgfältige, jeben
der Ingenieure. Seitverlust vermeidende praktische Ausbildung
des jungen Ingenieurs in einer, nach den obigen Regeln
arbeitenden Maschinenfabrik die erste Grundlage seines Könnens. Ungeeignet ist die Aus-
bildung in NReparatur- und Hilfswerkstätten eines nur einem Zweck dienenden Betriebes,
z. B. in den Eisenbahnwerkstätten, kurzsichtig ist das Fernhalten des Konstrukteurs von
den Werkstätten, welche seine Konstruktionen ausführen. Die Frage der praktischen
Ausbildung der Ingenieure ist in formeller Hinsicht durch die technischen Hochschulen
insofern gefördert worden, als die Zulassung zur Diplom-Prüfung von einer einjährigen
praktischen Tätigkeit als Arbeiter abhängig gemacht ist, in sachlicher Hinsicht ist leider
ein großer Rückschritt zu verzeichnen, denn die Zulassung zu den Werkstätten der In-
dustrie geschah früher unentgeltlich, jetzt meist nur gegen Zahlung einer bestimmten
Summe. Die Unterweisung der Praktikanten durch die Betriebsingenieure und Werk-
meister ist infolge des schnelleren Tempos, nach welchem in den Werkstätten heute ge-
arbeitet werden muß, schlechter statt besser geworden. Da unter diesen Umständen die
Werke die Unterweisung während der ersten Monate der praktischen Arbeitszeit nicht
mehr übernehmen können, ist es Pflicht des Staates, hier mit Unterstützung durch die
großen technischen Vereine und die Industrie helfend einzugreifen und die erste Unter-
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