VI. Buch. Textilindustrie. 151
änderung der Faser stattfand. Der Stoff wurde dichter, die einzelnen Fäden wurden
durchsichtiger und dicker, dafür war er aber sowohl in der Länge, als auch in der
Breite erheblich eingegangen. Das Nercersche Verfahren ist zur Erzeugung von
Krepp- und Damastartikeln verwendet worden. Man benutzte bierbei nicht nur
die Eigenschaften des Schrumpfens der Faser, sondern auch die Tatsache, daß sich
die mit Lauge behandelte Faser später weit dunkler anfärbt. Bei Versuchen zur
Herstellung solcher zweifarbiger Effekte machte die Firma Thomas & Prevost in Kre-
feld im Zahre 1895 die wichtige Entdeckung, daß man den großen Nachteil des Ein-
laufens der Fäden durch starkes Strecken der Garne oder Gewebe vermeiden kann
und hierbei gleichzeitig einen hohen, seidenähnlichen Glanz auf der Baumwolle
erhält. Der durch das Mercerisieren auf der Baumwollfaser hervorgebrachte Effekt
ist ein so bedeutender, daß dieses Verfahren heute unbedenklich als das weitaus wichtigste
und meist ausgeübte Veredlungsverfahren für Baumwolle angesehen werden kann.
Agpptische Baumwollgarne mittlerer Garnnummer und von nicht zu fester Zwirnung
erhalten durch das Mercerisieren einen so hohen Glanz, daß sie von Chappeseide kaum
noch zu unterscheiden sind. Der hohe Glanz wird durch das Mercerisieren nicht, wie
dies in der Appretur vielfach der Fall ist, durch äußerliche Mittel lose auf die Faser ge-
bracht, sondern der Glanz entsteht durch eine vollkommene Strukturveränderung der
Baumwollfaser selbst und ihre phpsikalischen und chemischen Eigenschaften, er verschwindet
nicht bei nachherigem Waschen, Bleichen, Färben, Abreiben usw. Die Zunahme der
Gerreißfestigkeit beträgt, wenn das Mercerisieren unter Streckung vorgenommen wird,
noch 25—30 % . Sehr wichtig ist die neue chemische Eigenschaft der mercerisierten Baum-
wolle, sich mit allen Farbstoffen viel intensiver anzufärben als die nicht mercerisierte.
Die auf diese Weise erzielte Farbstoffersparnis ist eine sehr wesentliche und beträgt bei
hellen Nuancen 10—15 %, bei dunklen sogar 25—30 % an Farbstoff. Die Möglichkeit,
aus der Baumwolle eine so gut wie neue glänzende Faser herzustellen, hat derselben
viele neue Gebiete der Textilindustrie erschlossen, besonders nachdem man es gelernt
hat, nicht allein die Garne, sondern auch die fertigen Gewebe zu mercerisieren. Merceri-
sierte Baumwolle wird für sehr viele Zwecke der Besatzindustrie verwendet, die einer
Verwendung gewöhnlicher Baumwolle nicht erschlossen waren. Vor allem sind hier
die Borden für Portieren, Vorhänge, Möbel usw. zu nennen, auch diese Stoffe selbst
werden so häufig unter Verwendung mercerisierter Baumwolle hergestellt, daß sie diesem
Zweige der Textilindustrie ein ganz bestimmtes Gepräge erteilt haben. Während es
im Jahre 1896 etwa 20 Mercerisieranstalten mit einer Tagesleistung von etwa 5000 Pfund
gab, dürften es heute 200 mit einer Tagesleistung von 150 000 Pfund sein.
Seidenfinish. Die neueren Fortschritte der Glanzerzeugung liegen nicht
— mehr auf dem Gebiete des Mercerisierens, sondern fast ausschließ-
lich in der Art des Kalanderns. Der alte zusammenhängende, speckige und spie-
gelnde Kalanderglanz hat niemals den Beifall der Abnehmer gefunden und selbst,
wenn man ohne Fettzusatz kalandert, bessert sich das Aussehen des Elanzes nicht
wesentlich. Die Kundschaft verlangt nun aber ein der Seide möglichst ähnliches Aussehen
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