VIIl. Buch. Die katholische Kirche. · 57
gelassen, ist allgemein zugestanden. Kein Katholik hätte sodann über die kirchenpolitische
Kurzsichtigkeit, ja über die „Erbärmlichkeit der Herren von Hardenberg und Altenstein“
sowie über Schmeddinge unsicheres „Schwanken zwischen Nationalismus und Kurialis-
mus“ vernichtender urteilen können, als der protestantische Frhr. v. Stein. Dieser hochsin-
nige Patriot stellte noch 1830 dem Prinzen Wilhelm, damaligem Generalgouverneur der
Abeinlande und späterem Kaiser, in einer Audienz vor: der Geist der Rheinländer werde
erbittert und verstimmt durch die Mißgriffe und Nachlässigkeiten des Ministeriums des
Kultus, das die wichtigsten geistlichen Angelegenheiten unentschieden liegen lasse, dann
dadurch, daß es den Verdacht eines dem Katholizismus feindseligen Geistes errege,
indem kein katholisches Mitglied im Koblenzer Schulrat sei usw. Nicht lange vorher
batte er geschrieben, Altensteins Verbleiben im Ministerium habe „die nachteiligste Folge
für religiöse und geistige Bildung des Volkes“. „Wie vermag ein so unklarer, einseitig
gebildeter Kopf kirchliche und pädagogische Anstalten bilden, lenken?“ Und gerade dieses
Ministerium hatte sich zugetraut, alles allein machen zu können. Zu den wichtigsten Be-
ratungen über kirchliche Fragen hatte man keinen einzigen Bischof zugezogen. Selbst
der ultramontaner Tendenzen wohl nicht verdächtige, der Regierung aufrichtig ergebene
Erzbischof Spiegel blieb von allen die Schicksale der preußischen Katholiken behandeln-
den Konferenzen ausgeschlossen, worüber er sich bitter beklagte. „Das protestantische
Gouvernement“, schreibt er an seinen Bruder, „ist mehr wie jemals antikatholisiert
und — quis crediderit? — in eine evangelische Propaganda ausgeartet, daher die un-
begrenzte Forderung der verderblichen gemischten Ehen und das Übergreifen vom
jus circa sacra in die eigentlichen sacra, wo ich dann natürlich in Opposition trete und
mich herumbalge.“ „Die Bischöfe haben eine mißliche Stellung unter protestantischem
Szepter und protestantisch intolerantem Ministerium.“ Dem Bruder llagte Spiegel
auch, „daß Intoleranz, ich möchte wohl sagen Groll gegen alles Katholische die Ver-
waltungsbehörden, aus Protestanten zusammengesetzt, in den Rheinlanden bestimmt"“.
Erst als der Karren in der Mischehenfrage gründlich verfahren war, wurde des Erz-
bischofs Hilfe angerufen und er bis aufs Blut gequält, bis er die Konvention einging,
um deren willen von katholischer Seite soviel Schmach auf seinen Namen gehäuft ward.
Oie selbstgenügsame Klugheit Altensteins führte schließlich zu dem „Siege“ vom
20. November 1837, der Verhaftung Clemens Augusts von Droste, mit welcher die
Niederlage der preußischen Regierung besiegelt und eine katholische Reaktion mit Ge-
walt Heraufbeschworen wurde. Uber die katholische Abteilung im Kultusministerium,
die von Friedrich ilhelm IV. zur Verhinderung solcher Mißgriffe errichtet wurde, ist
von antikatholischer Seite sehr ungünstig geurteilt worden, am ungünstigsten zu Beginn
der siebziger Zahre, als es galt ihre Aufhebung zu rechtfertigen. Aber ein Kenner
der Personen und Verhältnisse, der Spektator der einstmaligen Allgemeinen Zeitung,
dessen Regierungsfreundlichkeit durch die bittere Befehdung seitens extrem katholischer
Kreise genügend erwiesen ist, hat wohl nicht unzutreffend gemeint: wenn einzelne
Mitglieder jener Abteilung Fehler begingen, so seien diese Fehler verschwindend gering
gewesen gegenüber denjenigen, die protestantische Kultusminister vor und nach 1841
begangen haben, und an den Hauptfehlern trage die Schuld nicht die Einrichtung als
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