Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
180 Physilalische Chemie. X. Buch. 
  
legung der Gesamtvorgänge, die Vorgänge an den Einzelelektroden mit der chemischen 
Natur der dort wirkenden Stoffe in Zusammenhang gebracht hätte. Nernstleitete nun auf 
Grund der Dissoziationstheorie, unter gleichzeitiger Anwendung der Lehre vom os- 
motischen Druck auf die im Element wirksame Jonenlösung, aus thermodynamischen 
Betrachtungen eine Formel ab, die die zwischen Metall und Elektrolpt auftretende 
Spannung einerseits zur Jonenkonzentration des Elektrolyten, andererseits zu einer den 
verschiedenen Metallen eigentümlichen Konstante in zahlenmäßige Beziehung bringt. 
Kennt man zwei der betreffenden Werte, so wird der dritte der Berechnung zugänglich. 
Diese Theorie umfaßt, wenn man die gleichfalls von Nernst (1889) gegebene Theorie 
der Flüssigkeitsketten hinzuzieht, alle aus Metallen und Elektrolyten zusammengesetzten 
Elemente und gewährt gleichzeitig in den ganzen Mechanismus der Stromerzeugung 
auf chemischem Wege einen höchst anschaulichen Einblick. Auch die Konzentrations- 
und Gasketten zieht sie in ihren Bereich, durch sie erklärt sich das Phänomen der 
anomalen Spannungen, sie erhellt die komplizierten Erscheinungen der galvanischen 
Polarisation. Zahlreiche Experimente bestätigten die Folgerungen der Thpeorie durch- 
weg; diese fand immer mehr Anwendung zur Lösung chemischer Fragen, so zum 
Studium der Verhälltnisse der Elektrolptlösungen, zur Erforschung der Bildung und des 
Zerfalls von Komplexkörpern, zur Messung der Löslichkeit äußerst schwerlöslicher Salze, 
als zuverlässiger Wegweiser bei elektrochemischen Arbeiten amalytischer und sonthetischer 
Art: kurz sie entwickelte sich im Laufe der Berichtszeit zu einem festen Grundpfeiler der 
heutigen Elektrochemie. 
Wenden wir uns nunmehr zu den Fortschritten in anderen Gebieten der physi- 
kalischen Themie. 
Ein besonderse für die Chemie wichtiges 
, Grundgesetz, das Gesetz von der 
Erhaltung des Stoffes, wurde in der Berichtsperiode einer experimentellen 
Prüfung unterzogen. Außer Heydweiller (1901) u. a. hat vorzugsweise H. Landolt 
diese Frage behandelt. In mühevollsten, neun Jahre (1899—1908) beanspruchenden 
Arbeiten stellte er fest, daß die bei chemischen Umsetzungen etwa eintretenden Anderungen 
des Gesamtgewichts ein Zehnmilliontel des Gewichts der umgesetzten Substanz nicht 
übersteigen. Damit sind die äußersten, dem direkten Versuche gesteckten Grenzen erreicht; 
Stoffverluste noch Ueinerer Größenordnung, die nach den neuesten Anschauungen bei 
von Elektronenaussendungen begleiteten chemischen Vorgängen auftreten mülssen, 
liegen weit unterhalb dieser Grenzen und entziehen sich der direkten Messung. Kein 
anderes Naturgesetz, angenähert vielleicht das Gesetz von Faraday, hat bis jetzt eine so 
scharfe unmittelbare experimentelle Prüfung erfahren und in so weitem Umfang bestanden 
wie der Satz von der Beständigkeit der Materie. 
Oie alte Streitfrage, ob die Materie kontinuierlich zusammenhängend 
oder aber diskret verteilt sei, also aus Ueinsten Teilchen, Atomen und Molekeln, 
bestehe, ist in der Berichtszeit durch experimentelle Nachweise physikalischer Art, auf 
verschiedenen hier nicht auseinanderzusetzenden Wegen mit nahezu ausreichender Sicher- 
Allgemeinste Eigenschaften der Materie. 
  
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