Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
196 Zoologie. X. Buch. 
  
ihrer Lebensvorgänge wurde durch diese Studien in bewundernswerter Weise gefördert, 
sondern die moderne Protozoenforschung erzielte außerdem glänzende Resultate auf 
praktischem Gebiet, indem sie als die Ursache einiger geradezu verheerend auftretender 
Krankheiten Protozoen erkannte und infolgedessen Maßregeln für die Verhinderung oder 
doch Einschränkung dieser Krankheiten getroffen werden konnten. Wir nennen von 
ihnen vor allen Dingen die durch Hämosporidien hervorgerufene Malaria und die für 
ihre Bekämpfung unschätzbare Erkenntnis der Ubertragung ihrer Blutparasiten durch Mük- 
ken. Wie außerordentlich die Entdeckung des Entwicklungsgangs der Malariaparasiten 
das Zurückdrängen dieser für viele Gegenden verhängnisvollen Krankheit erleichtert hat, 
braucht kaum noch besonders erwähnt zu werden. Wenn man auch bei der ebenfalls durch 
Blutparasiten (Trypanosomen) hervorgerufenen und durch Fliegen übertragenen Schlaf- 
krankheit infolge der in den betreffenden Ländern bestehenden-großen Schwierigkeiten 
noch nicht soweit gekommen ist, so dürfen ähnliche günstige Ergebnisse doch mit Sicherheit 
in absehbarer Zeit erwartet werden. Zu den durch Protisten hervorgerufenen Erkran- 
kungen gehören außer verschiedenen anderen der Rückfalltpphus und die Syphilis, und 
auch bei ihnen hat die Erkenntnis ihrer Ursachen auf die Förderung ihrer Bekämpfungs- 
und Heilungsmethoden äußerst günstig eingewirkt. So erwies sich das Zusammenwirken 
der modernen Zoologie mit der Medizin auf diesen Gebieten als ungemein segensreich. 
  
Wenn vorher davon die Rede war, daß gewisse Zweige unse- 
rer Wissenschaft, obwohl sie an und für sich von großer Be- 
deutung sind, zurzeit weniger im Vordergrunde stehen, so erlangten doch andererseits 
gerade diese Gebiete seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine besondere Wichtig- 
keit durch die Probleme, welche ihnen die Deszendenztheorie stellte, um eine Klärung 
der Verwandtschaftsverhältnisse der Tiere herbeizuführen und ihre Abstammung nach 
Möglichkeit festzulegen. Phplogenetische Spekulationen mehr oder weniger begründeter 
Natur spielten damals eine wichtige Rolle und wirkten höchst anregend auf die ver- 
gleichend-anatomische und entwicklungsgeschichtliche Forschung in der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts bis auf unsere Tage ein. Alch darf an dieser Stelle nicht unerwähnt 
bleiben, daß sie die wichtige Frage nach dem Ursprung des Menschengeschlechtes 
stark beeinflußten und die aufsehenerregenden Funde vorgeschichtlicher Menschenreste 
den von ihr angeregten Bestrebungen mit zu verdanken waren. Wir denken an die Auf- 
findung fossiler Hominiden, wie sie in der neueren Zeit in recht verschiedenen Gebieten 
gemacht wurden und zu weitgehendsten Schlüssen Beranlassung gaben, den Pithecanthro- 
pus erectus von Java, den Homo heidelbergensis von Mauer bei Heidelberg, die mensch- 
lichen Reste aus den Höhlen von Spy, Krapina, Le Moustier und La Chapelle-aux- 
Saints, zu denen noch andere mannigfache und viel umstrittene Funde menschlicher 
Skeletteile aus prähistorischer Zeit hinzukommen. An der Auffindung, Beschreibung und 
Deutung dieser Funde haben deutsche Forscher in hervorragender Weise teilgenommen 
und dürften nichts dagegen einzuwenden haben, wenn unter etwas weiterer Fassung 
des zoologischen Wissensgebietes dieser Tatsachen auch hier Erwähnung getan wird. 
Deszendenztheorie. 
  
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