204 Zoologie. X. Buch.
die am Körper der Tiere sich vollziehenden Entwicklungsvorgänge zu ergründen. Sie fragt
vor allem nach den Ursachen der Entwicklungs- und anderer ihnen nahestehenden Lebenser-
scheinungen und zu deren Verfolgung bietet der sich entwickelnde Embryo die beste Gelegen-
beit, aber indem diese Forschungsrichtung auch zu Versuchen an späteren Stadien von
Larven und ausgebildeten Tieren wie Pflanzen überging, wurde sie zur Ezxperimen-
tellen Morphologie. ODie Entwicklung und der glänzende Aufschwung dieses besonders
modernen, von W. Rouz begründeten Zweiges unserer Wissenschaft fallen ziemlich
genau mit dem bier zu behandelnden Zeitabschnitt zusammen. Es ist begreiflich, daß
ein von vornherein so ungemein aussichtereich erscheinendes Gebiet eine große Zahl zumal
junger Forscher anlocken mußte und so sehen wir denn auch hier alsbalb eine ausgebreitete
Literatur entstehen, wie sich schon aus Roux' und DBriesch' eigenen Schriften sowie den-
jenigen ihrer Mitarbeiter, Anhänger und Gegner ergibt. Roux Archiv für Entwicklungs-
mechanik ist seitdem bereits zu einer stattlichen Reihe von Bänden gewordenz ihm schlossen
sich andere Zeitschriften wie das Journal of Experimental Zoology und die allgemein
zoologisch-phopsiologische Abteilung von Spengels Zoologischen Jahrbüchern an.
Die von Rouz gewählte und im Gegensatz zu anderen Vertretern dieser Richtung
festgehaltene Bezeichnung Entwicklungsmechanik will sagen, daß es sich bei den die
Entwicklung bewirkenden Faktoren in letzter Linie um mechanische Ursachen handeln
möchte, doch braucht kaum bemerkt zu werden, daß der Begriff Mechanik dann nicht zu
eng gefaßt werden, sondern ihm ein gewisser Spielraum gelassen werden soll.
Versuchen wir auch hier kurz auf Arbeitsmethode
und Ziele dieses Gebiets einzugehen, so möchten wir
wegen des Zusammenhangs am besten an früher Besprochenes anknüpfen. Die
moderne Befruchtungslehre hat gezeigt, wie bei den Reifungsteilungen im männ-
lichen und weiblichen Geschlecht die (schon früher erwähnte) Reduktion der Kernschleifen
(Thromosomen) in den Kernen der Keimzellen eintritt und zwar so, daß sie von
der für jede Tierart geltenden Normalzahl (z. B. 4, 8, 12, 16, 24 usw.) auf die redu-
zierte halbe Zahl (2, 4, 6, 8, 12 usw.) gebracht werden. Beim Befruchtungsvorgang tritt
dann bei der Verschmelzung des männlichen mit dem weiblichen Kern (Sperma und Ei-
kern) eine Summierung der Chromosomen auf die Normalzahl der betreffenden Spezies
ein, wodurch das frühere Verhältnis wiederhergestellt wird. Bei der ersten Teilung des
befruchteten Eies erfolgt sodann eine Spaltung der Chromosomen, welche somit in die
Kerne der beiden ersten Furchungezellen (ebenfalls wieder in der Normalzahl) übertragen
werden und so fort bei den darauf folgenden Furchungsteilungen und den mit dem wei-
teren Verlauf der Entwicklung verbundenen Zellteilungen. Es findet also eine sehr regel-
mäßige Verteilung des Kernchromatins statt und da man in dieses die vererblichen Eigen-
schaften zu verlegen geneigt ist, so würde daraus für diese selbst Ahnliches zu erschließen sein.
Determinationsproblem.
Der Körper als Mosaik Nach der von Nägeli und besonders von Weismann
in seiner Determinantenlehre vertretenen Anschauung
hat man sich die Ubertragung der erblichen Eigenschaften
zgahlreicher Anlagen.
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