X. Buch. Soologie. 205
etwa in der Weise vorgestellt, daß für jede von ihnen eine „Erbeinheit“ (Determinante)
im Keimplasma vorhanden sei, und daß diese entsprechend den vielen verschiedenen
Eigenschaften des Körpers mit dem (vielleicht dieses Keimplasma repräsentierenden)
Chromatin der Keimzellen bei der fortschreitenden Entwicklung auf die einzelnen Körper-
regionen verteilt würden. Deren weitere Ausbildung und diejenige ihrer Teile würde
also durch die in ihren Anlagen niedergelegten Determinanten bestimmt. Diesen An-
schauungen entsprechend hat man den Körper sozusagen als ein Mosaik zahlreicher An-
lagen und Anlagekompleze betrachtet. Die Anlagen zeigen bereits in den frühesten
Entwicklungszuständen eine bestimmte, zu der späteren Verteilung und Beziehung
stehende Orientierung.
Wenn sich dies so verhält, dann müßte
es vielleicht möglich sein, auf experimen-
tellem Wege einzelne Anlagekompleze
auszuschalten und dadurch die Ausbildung derjenigen Körperteile zu verhindern, die
aus ihnen hervorgehen sollten. Dies ist nun tatsächlich und zwar bei recht verschieden-
artigen Tieren gelungen. Durch Zerstörung einer der beiden ersten Furchungskugeln
erzielte man z. B. beim Froschei halbseitig ausgebildete (sogenannte Hemi-) Embrvo--
nen aus der unberührt gebliebenen Furchungskugel, die sich in ungefähr normaler Weise
entwickelte. Da die Anlagekompleze der anderen Hälfte zerstört waren, gelangte diese
nicht zur Ausbildung. Allerdings kann durch die von Rouzx als Postgeneration bezeich-
nete Erscheinung von der zur Entwicklung gelangten Hälfte aus das Fehlende nach-
träglich ergänzt werden.
Ausschaltung von Anlagekomplezen,
Teilembryonen.
Das am Verhalten des Froscheies erläuterte
Ergebnis beanspruchte auch insofern allgemei-
neres Interesse, als es sozusagen den alten Gegensatz zwischen den beiden Entwicklungs-
theorien des vorvergangenen Zahrhunderts, der Präformations- und Epigenesistheorie
wieder aufleben ließ. Nach jener sollten die einzelnen Teile des späteren Embryos
und ausgebildeten Tieres bereits vorgebildet vorhanden sein, um sich später nur zu ent-
entfalten (Evolution), während nach der Epigenesistheorie eine wirkliche Neubildung
vorher nicht in der Anlage vorhanden gewesener Teile stattfände. Es ist von großem In-
teresse, wie die mit den Eiern verschiedener Tiere vorgenommenen Versuche nach der einen
wie nach der anderen Richtung eine Entscheidung zu bringen scheinen oder doch in diesem
oder jenem Sinne gedeutet werden können. So wie es vorher vom Froschei angegeben
wurde, verhalten sich nämlich nicht die Eier aller Tiere, ja selbst beim Froschei kann bei
geeigneter Behandlung aus jeder der beiden ersten Furchungskugeln nicht wie vorher ein
halber, sondern ein ganzer, vollständiger Embryo hervorgerufen werden. Ahnliches gilt
für die Eier von Molchen, bei denen die beiden ersten Furchungskugeln durch Zerschnüren
voneinander getrennt wurden und jede einen vollständigen Embryo lieferte. Auch an
den Eiern von Echinodermen, Medusen, Amphiozus und anderen Tieren ließen sich solche
Versuche mit Erfolg ausführen. Nicht nur aus einer Furchungskugel des zweizelligen
Präformation und Epigenesis.
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