Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Znnere Medizin. 213 
  
Auch die Kenntnisse der Tropenkrankheiten sind erheblich gefördert worden. 
Es wurden als Erreger von mehreren Tier- und Menschenkrankheiten im Blute die 
Troypanosomen entdeckt; das IIypanosoma gambiense verursacht die gefürchtete 
Schlafkrankheit, welche meistens durch Biß einer Fliege (Glossina palpalis) übertragen 
wird; die Spirochäten des Rückfallfiebers (Febris recurrens) wurden genauer bekannt; 
die Pest, die Lepra, das gelbe Fieber wurden eingehend studiert und durch die größere 
Kenntnis der Bekämpfung mehr zugänglich. Vor allem gelang das auch bei jener Tropen- 
krankheit, welche weite Gebiete unbewohnlich macht, der Malaria. Gelingt es, sie zum 
Schwinden zu bringen, dann sind für Tausende von Menschen große Landstrecken und 
damit Erwerbs- und Lebensbedingungen gewonnen. Die Malaria wird durch lleine 
Parasiten (entdeckt von dem französischen Militärarzte Dr. Laveran) verursacht; sie ge- 
langen durch den Stich einer Mückenart, der Anopheles claviger in das Blut, befallen 
dort die roten Blutkörperchen und machen in ihnen einen ungeschlechtlichen Entwicklungs- 
gang, die Schizogonie durch. In der Mücke selbst vollzieht sich eine geschlechtliche Entwick- 
lung, die Sporogonie. Man unterscheidet einen Tertian-, Quartan- und lleinen Tropen- 
oder Perniziosaparasiten. Das spezifische Heilmittel gegen die Parasiten ist das Chinin. 
Das Studium des Blutserums mit Hirlfe der bakteriologischen Methoden hat 
eine neue Wissenschaft, die Serologie geschaffen, welche sowohl in diagnostischer wie 
therapeutischer Beziehung Glänzendes geleistet. Es kann auf die theoretische Seite, 
welche auf der von Ehrlich aufgestellten „Seitenkettentheorie“ beruht, hier nicht ein- 
gegangen werden: es seien nur folgende Punkte hervorgehoben, in welchen die Pra- 
xis Autzen daraus gezogen hat. 
Bedeutung der Serologie — aieen n anr vies aleroh 
von Bakterien entstehen Substanzen im erum, 
für bie Praktische Medizin. welche die Eigenschaft haben, Bakterien zusammen- 
zuballen (zu „agglutinieren") und unbeweglich zu machen, die sogenannten „Agglu- 
tinine“". Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Bakterien genauer auseinanderzuhalten, deren 
Unterscheidung sonst große Schwierigkeiten macht; vor allem ist dadurch die Diagnose 
des Typhus und typhöser Krankheiten, der Ruhr, der Cholera u. a. sehr viel schneller 
und besser möglich geworden. 
Ourch Injektion von Eiweiß ins Blut entstehen Substanzen, welche die Eigenschaften 
haben, das betreffende Eiweiß, in dem sie erzeugt sind, auszuflocken; sie werden Prä- 
zipitine genannt. Zede Tierart hat ihr arteigenes Eiweiß. Die Präzipitinereaktion 
hat die größte Bedeutung zum Nachweis von Blut für forensische Zwecke gewonnen, 
da es mit ihrer Hilfe gelingt, selbst nach Zahrzehnten aus einem Blutfleck die Herkunft 
des Blutes zu erkennen. Die Bakteriolpsine sind Substanzen, welche nach Injektion 
von bestimmten Bakterien z. B. von Cholerabazillen entstehen; sie haben die spezifische 
Eigenschaft die betreffenden Bakterien auszulösen und werden zur ihrer genauen 
Identifizierung benutzt. 
Die Hämoloysine sind Substanzen, welche sich im Blutserum von Tieren nach 
Einspritzung von artfremden Erptbrozyten bilden; sie haben die Eigenschaft, den Blut- 
  
  
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