234 Die Entwicklung der Chirurgie. X. Buch.
affektionen, der Lymphdrüsen, Gelenk- und Knochenkrankheiten, der Fremdkörper und
Steine, der bösartigen Geschwülste eine weitgehende Förderung erfahren hat. DOie
Wichtigkeit der Röntgenstrahlen für dle Bekämpfung des Krebses, für die Therapie der
Knochenbrüche, für die Orthopädie und Kriegschirurgie wird uns im einzelnen noch zu
beschäftigen haben. Eine wissenschaftliche Chirurgie ohne Röntgenverfahren
ist heute nicht mehr denkbar.
Bekämpfung der Der Aufschwung, den die Lehre von der Infek-
tion in den jüngst vergangenen Dezennien ge-
nommen hat, auf dem, wie wir sahen, auch der
ganze stolze Bau der Asepsis letzten Endes beruht, ist nicht nur der Erkenntnis und
Bewältigung der eigentlichen Seuchen, sondern auch der Berhütung und Bekämpfung
der Wundinfektionskrankheiten zugute gekommen. Dank der Assepsis sind furchtbare
Wunderkrankungen, wie der Hospitalbrand, der früher, namentlich in Kriegszeiten, die
verheerendsten Hospitalendemien veranlaßt bat, völlig verschwunden; in Kulturländern
wird man kaum noch ein Mitglied der jüngeren ÄArztegeneration finden, dem ein echter
Fall von Hospitalbrand zu Gesicht gekommen ist. Andere Wundinfektionskrankheiten
sind zwar nicht erloschen, aber sie haben doch aufgehört, als Komplikation operativer
Eingriffe und als ständiger Gast chirurgischer Krankenräume eine Rolle zu spielen. So
hat noch vor wenigen Dezennien mancher Krankensaal geräumt werden mühssen, weil
das Erpsipel, die Wundrose, immer von neuem aufflammte und von Bett zu Bett
wanderte. Die Sorgfalt unserer modernen Wundbehandlung hat dazu geführt, daß wir
mit dieser und mancher anderen ernsten Gefährdung operativer Resultate nicht mehr
zu rechnen brauchen.
Aber nicht nur in der Verhütung, auch in der Bekämpfung der Wundinfektions-
krankheiten haben wir einen guten Schritt vorwärts getan. Die Serumbehandlung
leistet wertvolle Dienste im Kampfe gegen die Wunddiphtherie, den Wundstarrkrampf,
die allgemeine Blutvergiftung durch Streptokokken, den menschlichen Milzbrand, den Biß
giftiger Schlangen. Die Pasteursche Schutzimpfung hat der Hundswut den größten
Teil ihres Schreckens genommen.
Bei der Bewältigung der so häufigen Wundinfektion durch Eiter- und Fäulniser--
reger, mag sie nun unter dem Bilde der Zellgewebseiterung (Phlegmone), der eitrigen
Knochemmarkentzündung, der Vereiterung von Sehnenscheiden, Schleimbeuteln und
Gelenken in Erscheinung treten, wird stets der rechtzeitige operative Eingriff das aus-
schlaggebende Verfahren bleiben; die frühe Entdeckung und kunstgerechte Eröffnung des
gefährlichen Eiterherdes ist das beste und meist das einzige Mittel, um dem Fortschreiten
der Eiterung und dem Eintritte der septischen Allgemeininfektion vorzubeugen. Ist
letztere eimmal zustande gekommen, so besitzen wir zwar in der Serumbehandlung, in
der Einspritzung kolloidaler Antiseptika in die Blutbahn, in dem ganzen ärztlichen Appa-
rate, der die Kräfte zu erhalten, die Schädigungen des Herzens und der Nieren zu
beseitigen dient, gewisse Hilfsmittel, um den Körper in seinem Kampfe gegen die Ein-
dringlinge und ihre giftigen Stoffwechselprodukte zu unterstützen: eine eigentliche Heil-
Wundinfektionskrankheiten.
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