Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
254 Die Entwicklung der Chirurgie. X. Buch. 
  
teres verständlich, daß die Uberpflan zung ganzer Extremitäten bisher kein brauch- 
bares Resultat ergeben hat. 
Nach all den Enttäuschungen, welche die Transplantation von Organen und hoch- 
organisierten Geweben gebracht hat, haben wir gelernt, uns zu beschränken, und uns mit 
der Überpflanzung der einfacher organisierten Gewebe, vor allem der 
Stützgewebe, zu begnügen. 
Überpflanzung von Haut. Schleim- Den — 3 a utr 
t b zungsversuche e Transplanta- 
haut, Fettgewebe, Fasdie tion von Haut gebildet. Das Ver- 
fahren der Wahl ist das von Thiersch eingeführte, welches möglichst große und dünne 
Epidermislappen verwendet. Wird eine besondere Widerstandsfähigkeit der verpflanzten 
Haut gewünscht, so ist die Transplantation nach Wolfe-Krause, bei welcher die Haut 
in ihrer ganzen Oicke, jedoch ohne Fett übertragen wird, zu empfehlen. Die Trans- 
plantation von Schleimhaut bietet viel geringere Aussichten als die UÜberpflanzung 
von Haut, weil die Infektion sich in weit höherem Maße störend bemerkbar macht. 
Weit besser dagegen sind wegen der Möglichkeit, die Asepsis zu wahren, die Resultate 
der Transplantation von Fettgewebe, eines Verfahrens, welches ein vorzügliches 
Mittel darstellt, um eingezogene Narben zu korrigieren, und der nicht unbedenklichen 
Paraffininjektion weit vorzuziehen ist. Bielseitig bewährt hat sich die von Kirschner 
xperimentell erprobte und in die Praxis eingeführte freie Faszien-Transplantation. 
Auch bei ihr ist wegen der Fülle des vorhandenen Materials stets die Autoplastik an- 
gebracht, als Entnahmestelle ist die widerstandsfähige Fascia lata des Oberschenkels 
besonders zu empfehlen, deren Defekt durch Naht sofort geschlossen werden kann. 
Das wichtigste Gebiet der Transplantation ist 
unstreitig die freie Überpflanzung von 
Knochen. Als feststehende Tatsache kann heute gelten, daß frischer periostbedeckter 
Knochen dem toten, sterilisierten oder mazerierten unbedingt vorzuziehen ist. Verfüg- 
bares autoplastisches Material besitzen wir im Wadenbein, den Rippen, den Knochen 
einzelner Zehen und in Teilen, welche von dem festesten und gleichzeitig zugänglichsten 
Knochen des menschlichen Körpers, dem Schienbeine, der Tibia, abgespalten werden. 
Homoioplastiken, welche bei Ubertragung großer Knochenabschnitte und Gelenke nicht zu 
umgehen sind, geben ebenfalls gute Resultate, wenn sie auch weniger sicher sind, als 
die der Autoplastiken. 
Überpflanzung von Gelenken. 
  
  
Überpflanzung von Knochen. 
  
Den Höbhepunkt dessen, was wir mit Hilfe der 
Transplantation Hheute überhaupt zu leisten 
vermögen, stellt die durch Lezxer eingeführte Transplantation von Gelenken 
dar. Wir unterscheiden die Überpflanzung halber und ganzer Gelenke. Bei ersterer 
wird, z. B. nach Entfernung eines Knochengewächses, das betreffende Stück des Röhren- 
knochens mit dem zugehörigen Gelenkkopfe eingepflanzt; bei der ganzen Gelenktrans- 
plantation handelt es sich um die Verpflanzung beider Gelenkflächen samt einem ein 
bis zwei Finger breiten Knochenanteil und samt den etwaigen Gelenkinnenknorpeln 
und Bändern. Die Berechtigung beider Verfahren ist durch eine Anzahl von Lezer, 
  
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