NX. Buch. Die soziale Medizin und soziale Hygiene. 273
auf sein Kind übertragen. Wohnungen und Häuser, in denen Pockenkranke sind,
müssen kenntlich gemacht werden, Kinder aus solchen Häusern dürfen die Schule nicht
besuchen.
Der Aussatz (Lepra) welcher im Mittelalter und in der Folge durch strengste Ab-
sperrmaßregeln mit glänzendem Erfolg bekämpft wurde, hat erst in den letzten Jahr--
zehnten durch Krankheitsherde in Asien, Afrika, Norwegen, Südamerika und Ostpreußen
die Aufmerksamkeit wieder auf sich gelenkt. Die Zeit, welche von der Ansteckung bis zum
Auftreten deutlicher Krankheitserscheinungen vergeht, ist eine sehr lange und dadurch
die Bekämpfung erschwert. Die strenge Absonderung der Kranken, welche die Vorbeugung
erfordert, erscheint grausam, wenn man bedenkt, daß die Krankheitserscheinungen Fahre-
lang nur in Knotenbildung der Haut und der Knochen bestehen können und die Störungen
des Befindens nur gering sind. Einzelne Einschleppungen erfolgen leicht vom Ausland
in die deutschen Hafenstädte.
Der Unterleibstyphus gehört heute zu den am meisten verbreiteten ansteckenden
Krankheiten. Er wird durch die Ausscheibungen tophuskranker Menschen verbreitet
und gelangt teils durch direkte Unreinlichkeit auf Gebrauchsgegenstände, Nahrungs-
und Genußmittel, teils indirekt vor allem in das Wasser und die Milch. Zwei Punkte
sind für die Ubertragung besonders gefährlich, einmal der Umstand, daß von der An-
steckung an 14—21 Tage bis zum Alsbruch stärkerer Krankheitserscheinungen vergehen,
zweitens die Tatsache, daß viele Menschen, welche den Typhus überstanden haben,
Herde von Tpphusbazillen im Körper zurückbehalten und dauernd Typhusbazillen
ausscheiden, ohne Krankheitserscheinungen zu zeigen. Man bezeichnet derartige Personen
als Typhusbazillenträger. Sehr häufig ist infiziertes Wasser die Ursache für Tophus-
epidemien größerer und geringerer Ausdehnung. Unsere Truppen in Südwestafrika
und in China haben ganz außerordentlich darunter gelitten.
Oie wesentlichste Aufgabe der sozialen Hp-
giene ist natürlich die rechtzeitige Abson-
derung der Kranken und die Sorge für ein-
wandsfreie Nahrungs- und Genußmittel. Durch Kochen der letzteren läßt sich eine Siche-
rung gegen Ubertragung erzielen, wenn auch die Hände und die Gefäße völlig rein sind.
Aber die größte Schwierigkeit besteht darin, einwandfreies Trinkwasser zu beschaffen. Im
Frieden ist in dieser Beziehung durch Schaffung von einwandfreien Wasserleitungen
viel geschehen, für den Krieg sind Versuche gemacht worden Trinkwasser durch chemische
Zusätze zu sterilisieren, Versuche die nicht ohne Aussicht auf Erfolg sind. Außerdem sind
Merkblätter für die Bevölkerung und Ratschläge an Arzte im Reichsgesundheitsamt aus-
gearbeitet worden, welche die Desinfektion der Ausleerungen, der Bettwäsche
berücksichtigen. Außerordentlich reiche Mittel sind von seiten des Staates zur Bekämp-
fung dieser Krankheit besonders in verseuchten Teilen des Reiches verwendet worden.
Die Untersuchungsstationen in der Rheinprovinz, in Elsaß- Lothringen, in der
Pfalz dienen in der Hauptsache diesem Zweck. Ein Erfolg aller dieser Bestrebungen
ist auch nicht zu verkennen. Die Erkrankungsziffer an Typhus ist von 11,0 auf 10000
Absonderung der Kranken.
Einwandsfreie Nahrungsmittel.
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