X. Buch. Die soziale Medizin und soziale Hygiene. 275
rechtzeitig die Träger der Bazillen zu entdecken, zu isolieren und zu behandeln. Dann
kommen all die Maßnahmen der Oeeinfektion, der Sorge gegen die Weiterverbreitung
der Seuche in Betracht, welche schon Erwähnung gefunden haben.
In jüngster Zeit ist auch die Poliompelitis (die spinale Kinderlähmung)
als eine übertragbare Erkrankung erkannt worden, wenn wir auch den Erreger derselben
nicht kennen. Die Bekämpfung der Krankheit ist einstweilen durch Unkenntnis des Weges
der Ubertragung sehr erschwert. Doch dürfte die Absonderung der Erkrankten und die
Fernhaltung ihrer schulpflichtigen Geschwister vom Schulbesuch zweckmäßig sein, ebenso
die Desinfektion der Ausscheidungen und Entleerungen (Erbrochenes, Nasen-
schleim, Harn, Stuhlentleerungen, Bettwäsche).
Das Kindbettfieber ist eine Erkrankung gegen welche als Schutzmaßregeln Ver-
kehrsbeschränkungen der Hebammen, Wochenbettpflegerinnen und des sonstigen Pflege-
personals immer energischer in Betracht gekommen sind. Auch gemeinverständliche
Belehrungen für Schwangere sind erlassen worden. Es unterliegt keinem Zweifel,
daß der bessere Unterricht, die größere Reinlichkeit und die Untersagung der Tätigkeit
der Hebammen usw. bei Auftreten der Krankheit bei einer Pflegebefohlenen die Zahl
der Erkrankungen und Todesfälle ganz wesentlich herabgesetzt hat.
A#Yuch die Körnerkrankheit (Granulose oder Trachom) welche Ende des vorigen Jahr-
hunderts in den östlichen Provinzen eine große Ausdehnung annahm, ist durch spftema-
tische Bekämpfung (Untersuchung der Schulen, der Militärpflichtigen, Feststellung und
zwangsweise Behandlung aller Erkrankungsfälle) im Rückgang begriffen.
Krankheiten von Tieren Von den Erkrankungen, welche in der Regel nur
bei Tieren vorkommen und von diesen auf den
Menschen übertragen werden, ist an erster Stelle der
Milzbrand zu nennen. Die Vorkehrungen bestehen in der möglichsten Unschädlich-
machung von milzbrandhaltigen Tierteilen, in der Absonderung Erkrankter und ent-
sprechender Desinfektion. Der große Handel Deutschlands mit Tierfellen wird kaum ein
vollständiges Erlöschen des Milzbrandes hoffen lassen.
Der Rotz wird ebenfalls an erster Stelle durch Maßnahmen gegen die Tierseuche,
Tötung rotzkranker Tiere, Vernichtung ansteckungsfähigen Materials bekämpft. Rotz-
kranke und krankheitsverdächtige Personen mücssen streng abgesondert werden.
Die Tollwut (Lyssa) wird wesentlich aus den östlichen Grenzbezirken eingeschleppt
und vor allem durch tollwütige Hunde verbreitet. In den Jahren 1906—1910 sind in
Preußen allein 1075 Personen durch sicher tollwütige Hunde gebissen worden. Die Maß-
nahmen sind etwa die gleichen wie bei den oben genannten Seuchen. Hoch sind zur
Vornahme von Schutzimpfungen (nach dem Vorgehen von Pasteur) in den Jahren 1899
bis 1904 in Deutschland zwei Institute eingerichtet worden (in Berlin im Institut für
Infektionskrankheiten, und in Breslau im hygienischen Institut), deren Resultate sehr
erfreulich sind. Von den 1075 Personen sind nach Rapmund und Oietrich nur 17 also
1,58% an Tollwut erkrankt.
Die Trichinenkrankheit wird durch Untersuchung der geschlachteten Schweine
auf Menschen übertragen.
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