X. Buch. Oie soziale Medizin und soziale Hygiene. 287
rückgang doch beanspruchen. Zedenfalls ist von allen Seiten der wichtigen Frage und den
Mitteln zu ihrer Lösung durch großzügige Zugendfürsorge reges Interesse entgegengebracht
worden. Am 19. Juli 1909 trat sodann in Dresden der deutsche Kongreß für Säuglings-
schutz zum erstenmal zusammen, zum zweitenmal 1910 in München. Den verschiedenen
Anregungen der Vortragenden ist auch die Aufnahme des erwähnten Mutterschutz-
Paragraphen der Reichsversicherungsordnung zu danken.
Auch auf dem Gebiete der Säuglingefürsorge bietet sich unter Einbeziehung der
A#rzte und Hebammen noch ein weites erfolgversprechendes Arbeitefeld.
Eine Ausdehnung ist besonders in der Richtung
erwünscht, daß Maßnahmen gegen die heute
so häufig geübte Abtreibung der Leibesfrucht ergriffen werden. In dieser Beziehung
übt das Kurpfuschertum einen geradezu verheerenden Einfluß aus. Mittel zur Ver-
hütung der Empfängnis und zur Beseitigung der Schwangerschaft werden teils in
Zeitungsanzeigen und in brieflichen Anzeigen empfohlen, teils durch Geschäfte und Hau-
sierer vertrieben. Daß auch im übrigen das Kurpfuschertum schweren Schaden durch
Verhinderung der Seuchenbekämpfung und durch Ausbeutung armer Kranker verursacht,
hat früher schon Erwähnung gefunden.
Maßnahmen gegen Abtreibung.
Rücblick. Die wichtigen Gesetze und die Fülle von Arbeiten und Bestrebungen
W7xdesd*5Ö auf dem als soziale Medizin und Hygiene umschriebenen Gebiet
haben in wenig Jahrzehnten größere Fortschritte gezeitigt, als sie früher Zahrhunderte
ja Jahrtausende zu verzeichnen hatten. Diese Fortschritte zeigen sich darin, daß für den
überwiegenden Teil der weniger gut situierten Bevölkerung und ihre Angehörigen im
Fall von Krankheit, Alter, Invalidität und Unfall Fürsorge getroffen und der
früher leicht eintretenden Verarmung gesteuert ist, daß die übertragbaren Krank-
heiten, sowie die Gesundheitsschädigungen durch berufliche Tätigkeit eine über-
raschende Abnahme erfahren haben, daß Mittel und Wege gefunden sind, auch
andere Gesundheitsschädigungen der Bevölkerung fernzuhalten, daß auf Grund aller
dieser Maßnahmen die durchschnittliche Lebensdauer und mit der Erhaltung
der Arbeitskraft auch der Wohlstand eine beträchtliche Zunahme erfahren haben.
Daß derartige Umgestaltungen mit ihren Lichtseiten auch manche Schatten nicht
vermissen lassen, wer kann das leugnen? Niemals wird es an Bestrebungen fehlen, die
besten Gesetze und Maßnahmen zu persönlichem Vorteil oder im Parteünteresse auszu-
beuten. Die Erkenntnis Berufener wird aber sicher in der Lage sein, derartige Bestre-
bungen einzuengen und eine Ausbreitung der Schädigungen zu verhindern. Es wäre
unrecht, wollten wir uns durch einige trübe Erfahrungen die Freude an dem Errungenen
rauben und von dem als recht erkannten Weg ablenken lassen.
Denn noch harren viele dankbare Aufgaben der Lösung. In der ener-
gischeren Bekämpfung des Alkoholismus und der Syphilis, in der Er-
ziehung einer körperlich und geistig gesunden Jugend kann noch viel geleistet werden.
Aufgaben.
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