X. Buch. Veterinärmedizin. 295
denen sich neben namhaften ausländischen Fachkollegen wie Arloing, C. O. Zensen,
Wc Fadpean, de ZLong, auch deutsche tierärztliche Forscher wie Dammann u. a. be-
teiligt haben, ergeben, daß die Rindertuberkulose entgegen der von NR. Koch vertretenen
Auffassung sehr wohl auf den Menschen übergehen kann, und daß die Ubertragung besonders.
leicht durch tuberkelbazillenhaltige Kuhmilch vermittelt wird. Hieraus ergibt sichvon selbst die
Forderung, wenigstens die zum Rohgenuß bestimmte Milch nur von solchen Kühen zu ge-
winnen, die einer ständigen tierärztlichen Kontrolle unterworfen sind, und auch von der allge-
meinen Milchgewinnung solche Tiere auszuschließen, die mit der Milch Tuberkelbazillen aus-
scheiden. Da aber die Tuberkelbazillen nicht die einzigen Krankheitskeime sind, die durch-
Milchgenuß auf den Menschen übertragen werden können, so hat sich im letzten Jahrzehnt
ganz von selbst ein neues Forschungsgebiet, die Milchhygiene, erschlossen, das inm von Jahr
zu Jahr zunehmendem Maße auch von deutschen Tierärzten bearbeitet wird. Es ist daher
durchaus gerechtfertigt, daß die Bedeutung, die den Tierärzten als Sachverständigen auf
dem Gebiete der Milchhygiene zukommt, im neuen Reichsviehseuchengesetze durch Über-
tragung der Befugnis der ÜUberwachung von Sammelmolkereien klar zum Ausdruck ge-
bracht ist. Ebenso ist es mit Genugtuung zu begrüßen, daß in den bereits erwähnten Nor-
malbestimmungen über die Regelung des Milchverkehrs in Preußen in angemessener Weise
auf die Mitwirkung der Tierärzte bei der allgemeinen Milchkontrolle hingewiesen ist.
Ze mehr sich aber die Auffassung Bahn bricht, daß der Tierarzt neben dem Chemiker als
Sachverständiger bei der Milchkontrolle zu gelten hat, um so leichter wird es gelingen,
die Schwierigkeiten zu überwinden, die der Einführung einer allgemeinen Wilchkontrolle
heute noch entgegenstehen.
Wennauch der Aufschwung der Veterinärmedizin in den
letzten 25 Zahren für die Allgemeinheit wohl am deut-
lichsten in den beiden soeben besprochenen Forschungsge-
bieten der Seuchenkunde und der Nahrungsmittelkunde zum Ausdruck kommt, so stehen doch
die übrigen ODisziplinen in ihrer Entwicklung diesen nicht nach. Das gilt in erster Linie von
den Oisziplinen, die von jeher in besonders naher Beziehung zur Humanmedizin gestan-
den haben, nämlich von der Anatomie und Histologie, der Embryologie und der
Phosiologie der Haustiere, von denen die erstere, weiterbauend auf den Arbeiten von
Gurlt, Müller, Leisering, Franck, gerade in den letzten 25 Zahren durch zahlreiche
umfassende vergleichende Untersuchungen von Ellenberger und Baum, Nartin,
Schmaltz u. a. einen wissenschaftlichen Ausbau erfahren hat, der sie der humanen Ana-
tomie ebenbürtig an die Seite stellt, während die letztere unter Benutzung der Vorteile,
die ihr die Natur des Objektes gerade auf dem Gebiete exakter phosiologischer Forschung
gegenüber der Menschenmedizin gewährt, durch wertvolle Beiträge — erwähnt seien u. a.
die Arbeiten Ellenbergers und seiner Schüler über Ernährungsphysiologie — den
gemeinsamen Unterbau der medizinischen Wissenschaft wesentlich erweitert hat. Und in
gleicher Weise haben zahlreiche Arbeiten aus der experimentellen Tierpathologie
und pathologischen Anatomie nicht nur die eigene Wissenschaft gefördert, sondern
zugleich auch zur Lösung schwieriger allgemein medizinischer Probleme beigetragen. So
Sonstige Oisziplinen der
Veterinärmedizin.
1439