Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
308 Die landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
  
ferner wurde das schon seit 1860 in Berlin bestehende landwirtschaftliche Lehrinstitut 
mit dem 1867 errichteten landwirtschaftlichen Museum 1881 zur Landwirtschaftlichen 
Hochschule vereinigt. Sie erhielt dabei neben der landwirtschaftlichen Abteilung noch 
eine landwirtschaftlich-technische, sowie eine geodätisch-kulturtechnische, mit welch letz- 
terer auch die landwirtschaftliche Akademie Bonn-Poppelsdorf ausgerüstet ist. Den 
landwirtschaftlichen Aniversitätsinstituten fehlen diese beiden Abteilungen, weil sowohl 
die landwirtschaftliche Technologie wie auch die Kulturtechnik und besonders die Geodäsie 
sich nicht gut dem Wesen der Universität einfügen lassen. Es werden jedoch fast an jeder 
Universität auch Vorlesungen über landwirtschaftliche Technologie und Kulturtechnik 
regelmäßig geboten, so daß sich jeder Landwirt darin orientieren kann. — Gegenüber 
jenen landwirtschaftlichen Kochschulen bietet das Universitätsstudium die Gelegenheit 
einer weiteren und tieferen naturwissenschaftlichen und allgemeinen Belehrung, und 
das ist namentlich von großer Bedeutung für die Ausbildung der heranwachsenden Ber- 
treter der Wissenschaft. Jedes der Systeme hat seine Vorteile. Infolge dieser Sachlage 
hat man auch bis jetzt davon Abstand genommen, das höhere landwirtschaftliche Unter- 
richtswesen einheitlich nach einer Form auszugestalten, und so ist im Laufe der letzten 
25 Zahre die Zweiteilung verblieben. Wohl aber hat man im Laufe dieser Zeit innerhalb 
der einzelnen Sosteme den neuen Anforderungen Rechnung getragen und sie erweitert 
und vertieft. 
Landw. IZnstitut zu Halle. An den Universitäten ist die Landwirtschaftswissen- 
schaft nach und nach spezialisiert und infolgedessen 
die Zahl der Lehrstühle wesentlich vermehrt. Die Hauptinstitute sind erweitert und mit 
Nebeninstituten ausgerüstet. Voran schreitet hierin neuerdings Halle, welches 1914 
vollständig neuorganisiert sein wird. Es ist zurzeit das am stärksten besuchte landwirt- 
schaftliche Lehrinstitut. Im Wintersemester 1912/13 studierten an der Universität zu 
Halle 446 Landwirte von Beruf nebst 57 Kameralisten. 
Aber auch die landwirtschaftlichen Hochschulen und Akademien erfreuen sich fort- 
gesetzt der Förderung seitens ihrer vorgesetzten Behörden. Eine solche war an allen 
Orten dringend nötig, denn das Studium der Landwirtschaft hat sich innerhalb der letz- 
ten 25 Fahre in Deutschland fest eingebürgert und die Frequenz in dieser Zeit im Mittel 
mehr denn verdreifacht, was am besten für seine allgemeine Würdigung spricht. Sie 
würde in kürzester Zeit noch mehr anwachsen und geradezu emporschnellen, wenn seitens 
der Domänenverwaltungen bei Erpachtungen nicht nur der Nachweis praktischer Befähi- 
gung und eines der Pachtung entsprechenden Vermögens verlangt würde, sondern auch 
der Nachweis eines spstematisch betriebenen Studiums und der Ausweis dafür durch 
eine bestandene Prüfung. Angesichts der großen Opfer, welche der Staat für das höhere 
landwirtschaftliche Unterrichtswesen bisher brachte und fortgesetzt wird bringen müssen, 
und angesichts der großen Bedeutung einer Steigerung der Leistungen unserer Land- 
wirtschaft, welche ohne gediegene wissenschaftliche Kenntnisse nicht möglich ist, sollten 
alle Bedenken der Finanzverwaltung gegen einen wissenschaftlichen Befähigungsnach-- 
weis der zukünftigen Generationen der Domänenpächter fallen! 
  
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