312 Oie landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch.
trächtlicher und gewährt einen darüber hinausgehenden Gewinn, sowohl privatwirt-
schaftlich für den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb selbst, als auch allgemein volks-
wirtschaftlich für die Steigerung der gesamten Produktion des Landes zur Beschaffung
von Nahrungsmitteln für die zunehmende Bevölkerung. A#uch die Ausbildung und wei-
tere Vervollkommnung dieser Anbauversuche, also des sogen. landwirtschaftlichen Ver-
suchswesens, ist ein hervorragendes Verdienst der letzten hier behandelten wirt-
schaftlichen Entwicklungsperiode.
Grundsätze der Pflanzenzüch- Bei der eigentlichen Arbeit an der Verbesserung
der vorhandenen Sorten unserer Kulturpflanzen
sind nun auch in den letzten 25 Jahren Fort-
schritte erzielt worden, die eine fundamentale Anderung der Anschauungen und Metho-
den darstellen. Man kann den Unterschied dahin charakterisieren, daß etwa bis zum Beginn
dieser letzten Periode bei der Pflanzenzüchtung das Verhalten des einzelnen Indivi-
duums ins Auge gefaßt wurde, jetzt dagegen ganze Bestände, Verwandtschaften,
Familien oder Stämme. Der frühere Standpunkt in der landwirtschaftlichen Pflanzen
züchtung ähnelte dem des gärtnerischen Züchters, derart, daß das Zdeal in der Erzielung
einzelner hervorragender Pflanzen bestand. Während nun im Gartenbau, namentlich bei
den Zierpflanzen, die Erzielung hervorragender Einzelpflanzen schon der gestellten
Aufgabe genügte, ist in der Landwirtschaft das Ziel insofern ein anderes, als hier der
Ertrag ganzer Bestände, also der Ackerfläche im ganzen, allein entscheidend ist. Bei
den landwirtschaftlichen Kulturpflanzen ist der Fall durchaus nicht selten, daß eine Sorte
mit hervorragenden Einzelpflanzen, auf die Flächeneinheit berechnet, durch ungleich-
mäßigen Bestand einen geringeren Ertrag gibt als eine andere Sorte, bei der zwar das
beste Individuum binter den besten der ersten zurücksteht, aber der ganze Bestand ge-
schlossen und ertragreich ist. Die Gesamtleistung auf der Flächeneinheit ist durch-
aus nicht immer mit der hervorragenden Ausbildung einzelner Pflanzen verbunden,
sondern in erster Linie mit der GEleichmäßigkeit und Geschlossenheit des ganzen Be-
standes. Es kommt eben auch hier nur auf wirkliche Leistung an, weniger auf eine
ideale Schönheit der Einzelpflanze, ähnlich wie sich ja auch bekanntlich die Tierzucht
von der Uberschätzung des „schönsten“ Biehes zu der Bevorzugung des leistungsfähig-
sten durchgekämpft hat. Bei den Pflanzen ist in dieser Beziehung gegebenenfalls ein
sehr gutes Individuum zu verwerfen, wenn es eine schlechtere Verwandtschaft hat und
ein etwas geringeres zu bevorzugen, wenn dessen Verwandtschaft besser ist. Dabei ist
natürlich das unerläßliche Erfordernis, diese Verwandtschaft oder die Familie ständig
zu prüfen, was wiederum durch Anbauversuche geschieht, die danach ein unerläß-
liches Hilfsmittel der modernen Pflanzenzüchtung sind. Die Folge der Berücksichtigung
ganzer Bestände neben der Auswahl von Individuen ist nun aber gleichzeitig die Prü-
fung auf die Sicherheit der Vererbung und damit eine Garantie für die spätere
Verwendung der gezüchteten Sorten, die auch in den folgenden Jahren nach Mög-
lichkeit die Vorzüge der Elitepflanzen zeigen sollen. Bei so gezüchteten Sorten ist die
Sicherheit im Saatguthandel beträchtlich größer, wodurch die Leistungsfähigkeit des
tung: Stammeszüchtung.
1456