Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. II. Ackerbau. 317 
  
die jetzt noch unverwertet an den zahlreichen Heizstellen in die Luft gehende Stickstoff- 
menge eine ganz ungeheure. Der gerade als Dünger so teuer bewertete Stickstoff bringt 
Überdies bei der Verbrennung selbst nicht den geringsten Rutzen, da er nicht zur Erhöhung 
des Heizwertes, sondern im Gegenteil als unverbrennbar zur Verminderung deeselben 
beiträgt. Die Gewinnung des ganzen bei allen Verbrennungen freiwerdenden Stick- 
stoffs ist daher noch eine Aufgabe für die Zukunft, die volkswirtschaftlich von außerordent- 
lich hoher Bedeutung ist. Auf dem Wege zu diesem Ziel befinden sich aber immerhin 
bereits die Fabriken, die schwefelsaures Ammoniak gewinnen, in klarer Erkenntnis der 
Wichtigkeit dieses wirtschaftlichen Problems. 
Ahilifalpeter. Zn der Wertschätzung des anderen bisher wichtigsten Stickstoff- 
düngemittels, des Chilisalpeters, hat sich in der letzten Wirt- 
schaftsperiode nur wenig Anderung gezeigt; höchstens hat man noch mehr den Wert 
dieses Düngemittels erkannt. A#ls tröstlicher Befund ist dabei für die neuere Zeit zu 
konstatieren, daß die Salpeterlager in Chile noch groß sind und für lange Zeit auszu- 
reichen scheinen. 
  
Atmosphärischer Stickstoff. Weiterhin hat man aber auf dem Gebiete der 
Stickstoffdüngemittel noch einen epochemachenden 
Fortschritt erzielt durch Erfindung verschiedener Methoden, die gestatten, den ele- 
mentaren Stickstoff unserer irdischen Atmosphäre in wirtschaftlich brauchbarer Weise 
in chemische Verbindungen zu bringen, die als Düngemittel dienen können. Zu- 
nächst gelang in dieser #rt die Herstellung des Kalkstickstoffs, und dann mit einer 
kleinen Anderung des Verfahrens die des Stickstoffkalkes, und endlich die Dar- 
stellung eines Kalksalpeters, ebenfalls aus dem atmosphärischen Stickstoff. Die 
Brauchbarkeit dieser Produkte im Ackerbau hat sich seitdem erwiesen, allerdings mit 
den lleinen Einschränkungen, daß Kalkstickstoff und Stickstoffkalk als Kopfdüngung oder 
auch in der Zeit der Bestellung nicht ganz unbedenklich namentlich für junge Pflanzen 
wirken. Dieser Mangel ist aber zu vermeiden, wenn man diese Düngemittel einige Zeit 
vor der Bestellung in den Acker bringt, so daß sie nicht unmittelbar mit den keimenden 
Saatkörnern oder mit den jungen Pflanzen in Berührung kommen. Beim Kalksalpeter 
andererseits ist noch als praktischer Mangel anzusehen eine gewisse Ungleichmäßigkeit 
in der Zusammensetzung, die den geschäftlichen Verkehr bei ihm nicht unwesentlich er- 
schwert. Im übrigen ist aber die Wirkungsweise im Verhältnis zum Stickstoffgehalte 
bieser Düngemittel als genügend aufgeklärt zu betrachten. Was bei der Gewinnung 
dieser Stoffe aber am wichtigsten ist, bezieht sich auf den Umfang, der bei der Pro- 
duktion dieser Stoffe zu erwarten ist. Wichtig ist hierbei, daß bei der Herstellung sehr 
starke und auf eine Stelle konzentrierte Energie angewandt werden muß, die entweder 
durch Aufwendung beträchtlicher Heizstoffe in Fabriken oder durch Verwendung von 
Wasserkräften zu gewinnen ist. Da man immerhin mit einem möglichsten Haus- 
halten an dem Kohlenvorrate des Landes und der Erde rechnen muß, und auch der Preis 
der Heizstoffe zunimmt, so schien sich in den natürlichen Wasserkräften eine wertvolle 
  
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