Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
324 Die landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
  
größer ist der Erfolg. Darum sollte auch in Zukunft alle Eigenbrödelei wegfallen, und 
nur ganz besondere Verhältnisse berechtigen im eigenen wie im allgemeinen Interesse 
den Einzelnen oder einzelne Gegenden, sich von den Bestrebungen der Landezzucht 
auszuschließen. 
Der Bedeutung der Schwarzbunten im Norden entsprechen annähernd die Gelb- 
bunten sog. Simmentaler im Süden. Leider hat man sich aber verleiten lassen, dieses 
äußerst formvollendete und in mehrfacher Beziehung auch leistungsfähige, dabei sehr 
anspruchsvolle Vieh in verhältnismäßig ärmliche Gegenden zu bringen, um es hier zur 
Umzüchtung vorhandener Bestände oder zur Reinzucht zu benutzen. Dadurch sind z. B. 
die in ihrer Art sehr wertvollen mitteldeutschen roten Gebirgsschläge z. T. ganz ver- 
schwunden, z. T. in ihrem Bestehen arg gefährdet. Erfreulicherweise haben sich die Lei- 
tungen der noch vorhandenen Zuchten und Zuchtreste auf gemeinsamen Boden gestellt, 
und so ist zu hoffen, daß es gelingen wird, manches wieder zu retten. 
Ubrigens scheinen sich die Anzeichen dafür zu mehren, daß man auch sonst in der 
Versimmentalerung zu weit gegangen ist und man sollte, wo dies der Fall ist, lieber 
einlenken, als den Fehler durch Hartnäckigkeit zu vergrößern. 
Wenn auch die Bielseitigkeit in der Leistung, die ungefähr gleichmäßig in Milch, 
Fleisch und Zucht angenommen wird, dem Simmentaler viele Freunde verschafft hat, 
so erscheint es doch erwägenswert, ob nicht etwas mehr Spezialisierung je nach den 
Verhältnissen am Platze wäre. 
Daß alle, auch die nicht genannten Rassen, an Güte ganz bedeutend gewonnen 
haben, möge kurz betont werden. Mit verschwindenden Ausnahmen dürften das Ge- 
wicht, die Frühreife und die Milchleistung erheblich zugenommen haben und weitere 
Fortschritte angebahnt sein. 
Die S ; In der Schweinezucht darf neben der geradezu ungeheuren 
vweinezucht. Vermehrung noch mit besonderer Genugtuung darauf hin- 
gewiesen werden, daß Deutschland sich züchterisch völlig unabhängig vom Auslande 
gemacht hat. Ja noch mehr, die deutsche Schweinezucht darf ohne Uberhebung für sich 
in Anspruch nehmen, die englische übertroffen zu haben. 
Wenn auch das deutsche Edelschwein auf die englischen Vorkshires und ähnliche 
zurückgeht, so hat es sich jetzt zu einem besonderen Toyp herausgebildet, der sich aus- 
drücklich frei von allen in die Überbildung hinüberreichenden Ubertreibungen frei hält, 
dabei aber alle gerechten Ansprüche an Leistung bezüglich Frühreife und Mastfähigkeit 
erfüllt. 
Die Verwendung ausländischer Rassen darf als notwendig nicht mehr hingestellt 
werden, so nützlich sich ja auch in Einzelfällen, besonders das Berkshire, noch macht. 
Daß die alten Naturrassen der Landschweine allmählich immer mehr der Kultur 
weichen mußten, ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Andererseits gibt es noch immer 
Gegenden, wobei besonders an rauhe Gebirgslagen und ähnliche gedacht wird, in denen 
die Produktionsbedingungen unverändert geblieben sind, und in denen es deshalb 
grundfalsch sein würde, die unveredelten Schweine veredeln zu wollen. 
  
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