X. Buch. III. Die DTlerzucht. 327
heraus, wie sie Zulius Kühn mit seinem weiten Blick schon vor vielen Jahrzehnten als
notwendig erkannt und im Haustiergarten an der Universität in Halle eingerichtet hatte.
Gerade solche Arbeitsstätten sind der gewiesene Ort, wissenschaftlich zu forschen und, von
Lahr zu Jahr zeigt es sich mehr, daß diese Arbeit an landwirtschaftlichen Rutztieren nicht
entbehrt werden kann. Für gewisse theoretische Grundlagen mag Kaninchen und Maus
genügen, als Ergänzung aber muß unbedingt die unmittelbare Nutztierzucht hinzu-
kommen.
Unser Wissen über Entwickelung und ihre Beeinflussung durch verschiedene Füt-
terung ist noch sehr bescheiden, obwohl es neben der Zuchtwahl die eigentliche Grund-
lage erfolgreicher Tierzucht bilden muß. Die in den letzten Zahren in Halle in dieser
Lichtung begonnenen Versuche, dürfen schon jetzt als bahnbrechend angesehen werden.
In die Vererbungslehre hat die Neuentdeckung der Mendelschen Regeln unge-
ahntes Licht gebracht, obwohl gerade in der Tierzucht große Schwierigkeiten bestehen,
ähnlichen ARutzen daraus zu ziehen, wie in der Pflanzenzucht.
Sehr fruchtbar ist die neuzeitliche Stammbaumforschung geworden, die von Cha-
peaurouge in Hamburg mit unendlicher Mühe aufgenommen ist und uns eine wirkliche
Klärung über den Wert planvoller Verwandtschaftszucht in Aussicht stellt.
Der Zukunft ist es vorbehalten, die Widersprüche zu lösen, die zwischen den vor-
läufigen Ergebnissen dieser verschiedenen Zweige der Tierzuchtlehre zu bestehen scheinen.
Mögen die Vertreter der Tierzuchtwissenschaft sich aber immer bewußt sein, daß sie Er-
fahrungswissenschaft treiben, und daß für sie der Stall wichtiger ist wie das Tintenfaß.
Lassen wir uns nicht durch die Einbildung irremachen, daß wahre Wissenschaft nur in
dumpfer Stubenluft gedeiht.
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