Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
338 Die technischen Wissenschaften. X. Buch. 
  
großer Teil der wissenschaftlichen Arbeiten, welche im Verlaufe des verflossenen Viertel- 
jahrhunderts zu verzeichnen sind. 
AAuch für diese Berechnungen sind die Grundlagen schon längere Zeit bekannt: sie 
sind bei den in der Gegenwart üblichen, neuen Verfahren dieselben, wie bei den älteren 
und können folgendermaßen auzgesprochen werden: 
Die geometrischen Bedingungen, denen die Konstruktion zu genügen 
hat, müssen mit den elastischen Bedingungenim Einklangsein, d. P. die Form- 
änderungen, welche unter der gemeinsamen Wirkung der bekannten und 
unbekannten Kräfte auftreten, müssen den von der Konstruktion gestellten 
Bedingungen genügen: dadurch erhält man die Möglichkeit, die unbekannten Kräfte 
kennen zu lernen. 
Ein einfaches Beispiel diene zur Erläuterung. Ein Gewölbe stützt sich gegen seitliche 
Mauern, sogenannte Widerlager. Die auf das Gewölbe von den Widerlagern über- 
tragenen Kräfte sind mittels der Gleichgewichtsbedingungen starrer Körper allein nicht 
ermittelbar. Nun möge der Abstand der Widerlager unveränderlich sein. Die elastischen 
bzw. die durch Wärmeänderung erzeugten Formänderungen mühssen also derartig vor sich 
gehen, daß das Gewölbe auch nach den Formänderungen zwischen die Widerlager paßt. Die 
elastischen Formänderungen sind aber von den wirkenden Kräften abhängig; diese müssen 
sich der angegebenen Bedingung anpassen und können danach aus ihr ermittelt werden. 
Derselbe Weg ist gangbar, auch wenn gewisse bekannte Veränderungen in der gegen- 
seitigen Lage der Widerlager infolge äußerer Umstände auftreten. 
Die angegebene Grundlage diente zur Berechnung statisch unbestimmter Kon- 
struktionen schon vor vielen Zahren; als Beispiel mögen die kontinuierlichen Träger ge- 
nannt werden. 
Die hbeute üblichen Verfahren für die elastischen Formände-- 
rungen verwenden das Arbeitsprinzip, das an die Namen 
Mohr (1874, 1875) und Mazwell (1864) geknüpft ist. Mohr ist auf seine epoche- 
machenden Untersuchungen gekommen, ohne von der älteren Arbeit Mazwells 
Kenntnis zu haben. Erst 1883 wurde ihm Mazwells Arbeit bekannt. Weiter werden 
verwendet die Sätze über die Formänderungsarbeit von Castigliano (1873), und 
Fränkel (1882), wie auch die Sätze über die Gegenseitigkeit der elastischen Ver- 
schiebungen. Diese Verfahren waren im Jahre 1888 bereits bekannt und wurden von 
einzelnen Fachgelehrten und Brückenkonstrukteuren schon verwendet, aber im Laufe des 
letzten BVierteljahrhunderts sind die Anschauungen auf diesem Gebiete durch zahlreiche 
wissenschaftliche Arbeiten geklärt, teilweise durch wissenschaftliche Kämpfe. Die ver- 
besserten Verfahren erleichterten nicht nur die Lösung alter Aufgaben, sie führten auch 
dazu, daß man sich an neue und schwierigere Aufgaben heranwagte. Ist es doch eine 
bekannte Tatsache, daß verbesserte Werkzeuge, auch auf geistigem Gebiete und erhöhte 
Arbeitsziele in fruchtbringender Wechselbeziehung zueinander stehen. 
Einige Gebiete, auf denen in dem betrachteten Zeitraum die wissenschaftliche Er- 
kenntnis besonders vertieft ist, mögen hier kurz angeführt werden. 
Arbeitsprinzip. 
  
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