X. Buch. I. Brückendau. zzo
Die Berechnung der Gewölbe ist durch viele, gediegene
— .4 wissenschaftliche Arbeiten gefördert; die Weite der Gewölbe ist
neuerdings bis auf 90 Meter vergrößert. Es ist aber sicher
möglich, eine Weite von mehr als 100 Metern mit den theoretischen und praktischen
Hilfsmitteln der Gegenwart zu überwölben.
Die Berechnung der Fachwerksträger, d. h. der
Berechnung der Fach- -
4 8 Fach aus einzelnen Stäben zusammengesetzten Träger, war im
Jahre 1888 schon auf bedeutender Höhe; aber auch auf
biesem überaus wichtigen Gebiete des Brückenbaues sind seit jener Zeit bedeutende, wissen-
schaftliche Erfolge zu verzeichnen: die Kenntnis der Nebenspannungen wurde durch
die Arbeiten von Engesser, Müller-Breslau, Landsberg, Mohr, Zimmermann und anderer
wesentlich gefördert. Die bei den sogenannten offenen oder Trogbrücken auftretenden
Überaus gefährlichen Kräfte, welche so manchen Brückeneinsturz verschuldet haben,
wurden in vorbildlicher Weise wissenschaftlich behandelt, zuerst von Engesser, später
von Dr. Zimmermann. Dieser letztere hat die Überaus schwierige Aufgabe des geraden
Stabes und des Stabecks auf elastischen Einzelstützen in einer Anzahl von Abhandlungen
der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Berlin vorgeführt und damit eine glänzende
wissenschaftliche Leistung vollbracht!). Ferger hat Müller-Breslau in seinem Werk:
Oie grapbische Statik der Baukonstruktionen diese Aufgabe gelöst (Sicherung der oberen
Gürtung einer Trogbrücke durch biegungsfeste Halbrahmen).
werksträger.
Neue Aufgaben durch Auch ganz neue Aufgaben traten in dem abgelaufenen
Mierteljahrhundert an die deutschen Ingenieure heran, vor
allem diejenigen, welche aus dem Auftreten des Eisen-
betons hervorgingen. Der Eisenbeton ist ein neuer Bauftoff, der sich freilich aus lange be-
kannten Einzelbaustoffen zusammensetzt, aber dennoch in seinen Eigenschaften etwas Neues
bedeutet. Diese Eigenschaften galt es zu klären und die ermittelten Gesetze in mathematische
Form zu kleiden, so daß der ausführende Ingenieur die Berechnung leicht vornehmen
kann. An diesen wissenschaftlichen Arbeiten hat sich neben fremdländischen Forschern
eine Reihe deutscher Ingenieure beteiligt: die Grundlage der heute geltenden Berech-
mungsverfahren ist von Koenen angegeben. Von weiteren verdienten Forschern sind
zu nennen: Möller (Braunschweig), Mörsch, Emperger, Förster, Probst u. a. Die Arbeiten
auf diesem Gebiete sind Legion, eine Anzahl von Zeitschriften pflegt die Eisenbeton-
baukunst, natürlich auch ihren wissenschaftlichen Teil.
In engem Zusammenhange mit der Eisenbetonbauweise steht eine neuerdings in
den Vordergrund getretene Konstruktion: der Fachwerkträger mit diagonallosen Feldern.
Nach seinem Erfinder und rastlosem Befürworter wird der Träger auch als „Vierendeel-
träger“ bezeichnet; nach der Anordnung als „Rahmenträger“. Die erste Berechnung
solcher Träger hat Engesser in seinem 1893 erschienenen Buche: Die Zusatzkräfte und
1) Veröffentlichungen: Die Knickfestigkeit eines Stabes mit elastischer Querstützung. Berlin 1906.
Die Krickfestigkeit der Druckgurte offener Brücken. Berlin 1910.
den Eisenbeton.
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