Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
360 Die technischen Wissenschaften: III. Wasserbau. — IV. Maschinenwesen. X. Buch. 
  
zu treffen und ihre Wirkung im voraus sicher zu beurteilen. Es kann das auch von großer 
wirtschaftlicher Bedeutung sein, denn wohl auf keinem anderen Gebiete des Bauwesens 
sind und mußten seither so große Summen unnütz geopfert werden wie im Wasserbau, 
bei dem die praktische Betätigung sich so schnell entwickelt hat, daß die wissenschaftliche 
Durchdringung und das klare Verständnis vielfach nicht zu folgen vermochte. 
Aber wenn auch nicht alle Bauausführungen vollkommen geglückt sind und manche 
unmnötige Ausgaben vorgekommen sein mögen, so verschwinden die gelegentlichen Miß- 
erfolge und unötig gebrachten Opfer doch gegenüber den im allgemeinen glänzenden 
Erfolgen und den reichen Segnungen, welche die tatkräftige Entwicklung der deutschen 
Wasserwirtschaft unverkennbar aufzuweisen hat. Ist auch nochlange nicht alles Wünschens- 
werte verwirklicht, so kann doch mit Befriedigung auf das in einem Bierteljahrhundert 
Erreichte zurückgeblickt werden. Der deutsche Wasserbau hat in dieser Zeit zweifellos 
Großes geleistet. Er hat an seinem Teil an dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands 
im letzten Bierteljahrhundert erfolgreich mitgearbeitet. 
  
IV. Maschinenwesen 
Von E. Brauer, Geh. Hofrat, Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe 
Die Erfindung und Ausarbeitung einer Maschine ist in den weitaus meisten Fällen 
die Frucht eines verwickelten Denkprozesses. Sehr verschieden ist aber das Werden des 
Erfindungsgedankens, je nachdem es sich im Kopfe eines wissenschaftlich gebildeten In- 
genieurs oder eines ungeschulten, wenn auch vielleicht begabten Erfinders vollzieht. Ver- 
dient auch der letztere im Falle des Erfolges vielleicht noch mehr Bewunderung, so hat 
der erstere doch weit größere Aussicht, ein gewolltes Ziel zu erreichen; danken wir es doch 
dem Einfluß der technischen Wissenschaften und ihrer Verbreitung, daß in vielen 
Fällen die Wahrscheinlichkeit des Erfolges fast zur Sicherheit wird und die Lusführung 
eines neuen Gedankens ohne wesentliches Risiko unternommen werden kann. 
Wie nach dem Sprichwort die Not die Mutter der Erfindung ist, so ist sie auch die 
Mutter der technischen Wissenschaften. Hier ist es die Notwendigkeit, dem Ingenieur 
die Denkarbeit durch Festlegen abgeschlossener Gedankenketten zu erleichtern, deren 
Richtigkeit hinreichend erwiesen ist, um die häufige Wiederholung der ganzen Beweis- 
kette entbehrlich zu machen. Die Mittel hierzu liefern die Naturwissenschaften, insbesondere 
Phpsik und Chemie in Verbindung mit der Mathematik. Sind sonach die technischen 
Wissenschaften Strömen vergleichbar, die aus verschiedenen Quellen gespeist werden, 
so unterscheiden sie sich von den natürlichen Strömen dadurch, daß sie auf die Quellen 
zurückwirken, indem ihre Leistungen dazu beitragen, auch die grundlegenden Wissen- 
schaften zu bereichern und zu vertiefen. 
Bekannte Beispiele hierfür liefern die Wärmekraftmaschinen, die Turbinen, 
die elektrischen Maschinen und die Luftfahrzeuge. 
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