X. Buch. IV. Maschinenwesen. 361
Hatte die Entdeckung des Luftdruckes durch Torricelli und die Erfindung der Luftpumpe
durch Otto v. Guericke indirekt den Anstoß zur Erfindung der Dampfmaschine durch
Papin, Newcomen und Watt gegeben, so stellte die Ausbildung der Dampfma--
schine die Aufgabe, Eigenschaften des Feuers, der Wärme, des Dampfes, die bis zu
jener Zeit noch nicht genau bekannt waren, nach Maß und Zahl zu erforschen. Die hier-
durch gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere die genialen Arbeiten von Carnot und
Clapeyron führten, im Zusammenhang mit anderen Forschungsergebnissen im Reiche
der belebten und unbelebten Natur, auf die Entdeckung des Energiegesetzes durch
Kobert Maper und Helmholtz. Hiermit war das Fundament für die Thermody-
namit gelegt, deren Ausbau in späterer Zeit besonders Hirn, Clausius und Zeuner
zu danken ist, und deren Lehren nicht nur die wissenschaftlich arbeitenden Ingenieure bei
der Vervollkommnung der Dampfmaschine unterstützt, sondern auch bei der späteren Er-
findung und Ausbildung der Dampfturbine, der Gasmaschine, sowie der Ol- und Benzin-
motoren eine wichtige Rolle gespielt haben. Vielleicht noch größer ist der Gewinn zu
veranschlagen, welchen die ganze Naturwissenschaft durch das Energiegesetz erfahren hat.
Als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts das Segnersche Wasserrad bekannt wurde, zog
dasselbe das Interesse des großen Mathematikers Euler in solchem Maße auf sich, daß er
eine noch heute gültige Theorie dieser Maschine und damit die erste Turbinentheorie
entwickelte, und kurz darnach (1755) seine grundlegende Arbeit zur wissenschaftlichen
Hydrodynamik verfaßte. Dieser Wissenschaft und ihren späteren Vervollkommnungen ver-
danken wir aber die hervorragenden Leistungen im Turbinenbau und in der Aus-
nützung der Wasserkräfte, durch die sich besonders deutsche Firmen in denletzten Fahrzehn--
ten ausgezeichnet und in allen Weltteilen betätigt haben, nachdem durch die elektrische
Fernleitung die industrielle Verwertung zahlreicher seither ungenützter Wasserkräfte
wirtschaftlich möglich geworden war.
Aber nicht nur auf diesem Gebiete, sondern in fast allen seinen Zweigen hat das
Maschinenwesen der letzten Zahrzehnte unter dem Einfluß der Elektrizität gestanden,
und gleichzeitig hat sich aus diesem Zusammenhang die Elektrotechnik als umfangreiche
technische Wissenschaft entwickelt. (Siehe den folgenden Abschnitt Elektrotechnik.)
Als neuster Vorgang ähnlicher Art vollzieht sich in unseren Tagen unter dem Ein-
fluß von Aufgaben, die der Bau der Luftfahrzeuge stellt, die gründlichere Durchfor-
schung der Bewegungsgesetze der Luft, die Betätigung zahlreicher Kräfte auf dem Ge-
biete der Aerodynamik, welches mangels praktischen Interesses lange Zeit vernachlässigt
worden war.
Geht schon aus diesen Beispielen hervor, daß die Maschine die Dienste, welche die
Quellwissenschaften bei ihrer Entwicklung geleistet haben, reichlich vergolten hat, so läßt
sich noch in vielen andern Fällen zeigen, daß sie nicht nur ein Anwendungsobjekt, sondern
selbst eine Quelle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gewesen ist und wohl auch in Zu-
kunft bleiben wird.
Ganz besonders gilt dies für die Beziehungen zur Mechanik. Diese Wissenschaft
verdankt zwar die wichtigsten Erkenntnisse, auf denen ihr heutiges Lehrgebäude beruht,
dem Studium der Planetenbewegung. Hierbei handelt es sich aber im wesentlichen nur um
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